Abstract:
In dieser Arbeit wird zu Beginn der
Begriff der Macht in der Soziologie verortet und anschließend im Verständnis
Foucaults dargelegt. Danach wird sein Werk und die Auseinandersetzung mit dem
Machtbegriff aufgearbeitet, gefolgt von einer auf den Machtbegriff bezogene
Analyse des Panoptikums von Bantham. Den Schluss bildet ein Abbild der
Überwachung in der Moderne, welche in Bezug zum Konzept Banthams steht.
In
this paper at first the term of power in reference to sociology is discussed,
followed by the understanding Foucaults of it`s meaning. Afterwards Fouaults
book “Überwachen und Strafen” is in the focus of attention. The term of power
and the reference to Banthams panopticon is also part of this paper. In the
end, the modern time and the monitoring of the individuals are in the centre of
attention.
Die Ausübung von Macht ist in der
Moderne alltäglich und allgegenwärtig, doch was wird eigentlich unter dem
Begriff der Macht verstanden? Schlägt man den Begriff im Duden nach so werden
fünf Bedeutungen aufgelistet.
1. Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die jemandem oder einer Sache andern gegenüber zur
Verfügung stehen; Einfluss
2. etwas, was eine besondere bzw.
geheimnisvolle Kraft darstellt,
besitzt
3. mit dem Besitz einer politischen,
gesellschaftlichen, öffentlichen Stellung
und Funktion verbundene Befugnis, Möglichkeit
oder Freiheit, über Menschen und Verhältnisse zu bestimmen, Herrschaft auszuüben
4. a. politisch und wirtschaftlich einflussreicher Staat
b. mächtige, einflussreiche Gruppe, Schicht o. Ä.
5. (veraltend) Heer, Truppen
(Duden-online)
Dies verdeutlicht die
unterschiedliche gebrauchsweise und Bedeutung des Begriffs. Die deutlichste
Differenz in den Bedeutungen ist die Ausübung der Macht. So entspricht der
zweite Punkt einer Form von Anziehung, der fünfte Punkt jedoch beschreibt eine
Form von körperlicher Gewalt. Ebenso spielen Politik und Ökonomie in dieser
Begriffsdefinition eine Rolle, doch wie wird nun „Macht“ in der Soziologie
verstanden? Für diese Arbeit ergeben
sich folgende Fragestellungen:
Fragestellungen der Arbeit:
In folgender Arbeit sollen folgende Fragen beantwortet
werden.
1.
Wie wird der Macht- Begriff in der Soziologie verwendet?
2.
Wie steht Michel Foucault zu dem Begriff und wofür steht das
Panoptikum in seiner Arbeit?
3.
Wie wird Macht im Verständnis Foucaults heute ausgeübt?
Zu Beginn dieser Arbeit wird der Machtbegriff in
der Soziologie allgemein erläutert, dabei werden verschiedene Auffassungen des
Begriffes herausgearbeitet. Darauf folgt eine Auseinandersetzung mit dem Werk
„Überwachen und Strafen“ von Foucault anhand dessen der Machtbegriff in seinem
Verständnis erläutert wird. Dem Kapitel des Panoptikums wird ein eigener
Abschnitt dieser Arbeit gewidmet. Im Anschluss wird die Ausübung von Macht in
der Moderne im Zusammenhang mit Foucault beleuchtet. Den Schluss bilden ein
Fazit und eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit.
Der Begriff der Macht nach Weber:
„Macht bedeutet jede Chance,
innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Wiederstreben
durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber, 1976,
S. 28)
Im Begriff Webers geht es um die bestehende Chance seinen eigenen Willen
durchzusetzen, im Vergleich zu Foucault, welcher die Physische Gewaltanwendung
in seinem Machtbegriff nicht miteinbezieht lässt Webers Definition von Macht
diese Möglichkeit offen.
Des Weiteren unterscheidet Weber
zwischen legitimier und illegitimer Macht. Die legitime Form von
Macht ist gleichzusetzten mit „Herrschaft“, da sie auf Befehlen und der Ausführung
dieser beruht. Der Befehl dient dabei dem durchzusetzenden Willen desjenigen
der die Macht ausübt. Diese Form der Macht ist innerhalb sozialer Beziehungen
anerkannt. Illegitmime Macht hingegen wird
innerhalb sozialer Beziehungen nicht anerkannt und erfordert in ihrer
durchsetzung Körperliche Gewalt oder eine andre Form von Einflussnahme. (vgl. Bango,
1994, S. 77)
Weber spezifiert den
Begriff der Macht in drei weitere Kategorien. Die persönliche Macht, welche sich zum beispiel aus einem
Wissensvorsprung begründen kann, welcher dem Machthaber in der Argumentation
einen Vorteil verschaffen kann und somit sein Gegenüber zu beeinflussen weiß. (vgl.
Mogge-Grotjahn, 1996, S. 81) Politische
Macht äußert sich im Vorteil von Ressourcen oder Positionen innerhlab einer
Hirachie. Die letzte Ausprägung ist die militärische
Macht welche sich durch die „physische
Überlegenheit“ äußert. (vgl. Ams, 2000, S. 4)
Die symbolische Gewalt nach Pierre Bourdieu:
Bourdieu
verwendet den Begriff der Macht nicht direkt, sondern führt den Begriff der symbolischen Gewalt ein, „ein
Ausdruck, den Bourdieu synonym zu symbolischer Macht oder symbolischer
Herrschaft gebraucht „ (Moebius & Wetterer, 2011) „Die symbolische
Gewalt welche der symbolischen Macht gleichzusetzen ist im Verständnis von
Bourdieu, ist ähnlich Foucaults keine Physische Macht. Sie zeichnet sich
dadurch aus weder unmittelbar bewusst noch offen zugegen zu sein. Sie ist eine
„sanfte Gewalt“, eine Herrschaft über die „Köpfe und Herzen“ (Krais, 2004,
S. 186)
Sein Konzept der Macht unterscheidet sich von den schon
genannten insofern als das er „auch die körperliche und unbewusst- spontane Dimension von symbolischer
Gewalt sowie ihren objektiven Charakter in den Blick nimmt“ (Moebius & Wetterer, 2011, S. 1)„Von symbolischer
Herrschaft oder Gewalt sprechen heißt davon, dass der Beherrschte, von einem
subversiven Aufruhr abgesehen, der zur Umkehrung der Wahrnehmungs- und
Bewertungskategorien führt, dazu tendiert,
sich selbst gegenüber den
herrschenden Standpunkt einzunehmen.“ (Bourdieu, 2005, S. 202) das heißt, die dominierten
tragen paradoxerweise zu ihrer eigenen Unterwerfung bei. Die symbolische Gewalt
hat deshalb eine gleichsam „magische“ Kraft (Moebius
& Wetterer, 2011, zitiert nach, Bourdieu, 2001, S. 216f)
Verwendung des Begriffs im Verständnis von Foucault:
Foucault verwendet
den Begriff der Macht sehr abstrakt. So beschreibt er sie als etwas nicht
Allumfassendes, sondern als „von überall kommend“ und aus diesem Grund ist
Macht überall. Des Weieren erachtet er es als
unumgänglich Nominalist zu sein, da die Macht in seinem Empfinden keine
Institution oder Sturkur ist. Ebenso sieht er sie nicht als „Mächtigkeit
einiger Mächtiger“ sondern als Namen welcher einer komplexen strategischen
Situation in einer Gesellschaft zugeschrieben wird. (vgl. Foucault, 1977, S. 93ff)
„Machtbeziehungen verhalten sich zu anderen Typen von Verhältnissen (ökonomischen Prozessen, Erkenntnisrelationen, sexuellen
Beziehungen) nicht als etwas Äußeres, sondern sind ihnen immanent.“ (Foucault, 1977, S. 94) Der Wiederstand gegen eine Macht ist
allgegenwärtig, somit ist der Ausübung von Macht auch immer eine
Gegenläufigkeit gegenübergestellt. Dies führt jedoch unweigerlich dazu, dass
der Wiederstand niemals außerhalb der Macht selbst liegt. (vgl. Foucault,
1977, S. 93ff)
Im folgenden Teil der Arbeit wird der Machtbegriffs Foucaus anhand seiner
Ausführungen und Beispiele genauner behandelt. Dabei wird auf das Buch
„Üerwachen und Strafen“ bezug genommen und anhand der Beispiele Foucaults
versucht sein Verständnis von macht zu erläutern.
Foucaults Werk über die Macht
In dem Buch „Überwachen und Strafen“
beschreibt Foucault zu Beginn am Beispiel des Soldaten, die Veränderungen des
Körpers im Laufe der Jahrhunderte. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den
Haltungen und Gesten des Soldaten und auf der Mechanisierung dieser. Er
bezeichnet dies als die „Entdeckung des Körpers als Gegenstand und Zielscheibe
der Macht“ (Foucault, Überwachen und Strafen,
1977, S. 838).Der
Mensch wird nicht mehr als Individuum gesehen, sondern als Maschine, dabei
steht die Optimierung des Körpers im Vordergrund.
Foucault führt den Begriff der Disziplin ein, um den nicht gewaltsamen
Vorgang der Machtausübung auf einen Körper zu beschreiben. Diese Art von
Verhältnis ist davon gekennzeichnet, dass der Köper umso gefügiger wird, je
nützlicher er ist und umgekehrt. (vgl. ebd. S.839ff)
Ein weiterer Aspekt der Machtausübung
ist die Kunst der Verteilung.
Foucault beschreibt die Verteilung von Individuen im Raum um sie zu überwachen.
Er nennt dabei die Klausur als Beispiel für die räumliche Trennung zum Zweck
der Kontrolle. Dieses Prinzip lässt sich ebenso auf Kasernen, Fabriken oder
Klöster ableiten. Ein weiterer Terminus ist die Parzellierung, welche durch das Zuweisen eines Individuums an einen
bestimmten Platz erfolgt. (vgl. ebd., S. 845f) Dies führt wiederum zur
Kontrolle der einzelnen Individuen im Raum, im ökonomischen Sinn steht ebenso
die Gewinnmaximierung im Fokus dieser Praktik.
Ein weiteres Merkmal der Disziplin
ist der Rang welcher die Position eines Individuums bestimmt, diese aber nicht
festsetzt, er lässt sie in „einem Netz von Relationen (S. 849)“ zirkulieren. Um
diese Einteilung aufrecht erhalten zu können werden architektonische Räume
benötigt die den Bedürfnissen der Disziplinen gerecht werden. Foucault nennt
diese „lebende Tableaus“, sie stellen eine zellenförmige Machttechnik und ein
Wissensverfahren im Raum dar.
Um Macht auf viele Individuen
gleichzeitig ausüben zu können ist die Kontrolle
der Tätigkeiten unausweichlich. Sie ist in die fünf folgenden Punkte
unterteilt:
1. Zeitplanung
2. Zeitliche Durcharbeitung der
Tätigkeit
3. Zusammenschaltung von Körper und
Geste
|
4. Die Zusammenschaltung von
Körper und Objekt
5. Die erschöpfende Ausnutzung
|
Die Zeitplanung soll den Körper in
Rhythmen und Wiederholungen zwängen, dabei ist die Genauigkeit der Ausführungen
und die Aufmerksamkeit des Individuums auf die Ausführung der Tätigkeiten
maßgeblich. Die zeitliche Durcharbeitung der Tätigkeit wird mittels eines
Programms gewährleistet und kontrolliert, dabei durchdringt die Zeit den
Körper. Die Gesten sollen nicht nur erlernt oder erzwungen werden, sie sollen
in optimaler Beziehung zum Körper stehen. Bei der Zusammenschaltung von Körper
und Objekt nennt Foucault den Umgang mit der Waffe als Beispiel für das durch
die Disziplin definierte Verhältnis, in dem der Körper zu dem Objekt stehen
muss. Er beschreibt es des Weiteren als „Beispiel für eine Instrumentelle
Codierung des Körpers (ebd., S. 857)“. In dem fünften und letzten oben
angeführten Punkt der erschöpfenden Ausnutzung
beschreibt Foucault das Ablösen des mechanischen Körpers durch den natürlichen
Körper. Dieser Disziplinarmacht entspricht eine Individualität, die nicht nur
analytisch und „zellenförmig“, sondern auch natürlich und „organisch“ ist. (ebd.,
S. 860) „Mit dieser Unterwerfungstechnik bildet sich ein neues Objekt aus, das
den mechanisierten Körper langsam ablöst: den festen und beweglichen Körper,
dessen Bild die Träume der Disziplinarvollkommenheit so lange begeistert hatte“
(ebd., S. 859)
Im nächsten Teil seiner Arbeit geht
Foucault auf „Die Organisation von
Entwicklungen“ ein. Dabei steht die
individuelle als auch totale Abhängigkeit des Lehrlings von seinem Meister im
Mittelpunkt. In einem Edikt von 1737 wird für die Lehrlinge der
Gobelinmanufaktur eine Zeichenschlue begründet, die nicht als Ersatz, sondern
als Zusatz zur Ausbildung bei den Meistern gedacht ist. Dabei ist die
Strukturierung von Zeit ein wichtiger Eckpfeiler. Die Schüler sollen mit
Ausnahme von Sonn und Feiertagen ihre Ausbildung und Zeit in der Schule
verbringen in der sie einen an der Wand befestigten, in einer Liste
angeführten, Appell ausführen. Die von den Schülern abzugebenden Werke werden
mit Namen und Datum versehen, abgegeben und bewertet. Die Überwachung und
Organisation ihrer Zeit steht neben der Ausbildung an erster Stelle. Die
Schüler werden mittels ihrer Werke miteinander verglichen und auch die von
ihnen benötigte Zeit um Fertigkeiten zu erlernen entgeht keiner Beurteilung.
(vgl. ebd. S. 861).
Foucault beschreibt diese Schule als
Beispiel für ein Phänomen welches er als bedeutsam für das klassische Zeitalter
empfindet. Die „sich vollziehenden Entwicklungen einer neuen Technik zur Erfassung
der Zeit der Einzelexistenzen; zur Reglementierung der Verhältnisse der Zeiten,
Körper und Kräfte; zur Akkumulation der Dauer; und zur ständigen Steigerung der
Rentabilität des Zeitflusses“ (ebd.).
Diese Form der Überwachung und
optimalen Nutzung von Zeit wird in den folgenden Jahren auf Militärschulen
übertragen, in denen Kinder im jüngsten Alter vom „Vaterland adoptiert“ werden
um ihnen die „Positur, das Marschieren, die Handhabung der Waffen, das Abfeuern“
(ebd., S. 862) näherbringt. Um das zu Erlernende und den Vorschritt der Schüler
besser kontrollieren zu können werden nicht nur die Zeit, sondern auch die
Lektionen in einzelne Schritte zerlegt. (vgl. ebd., 862ff). „Zu Beginn des 18.
Jahrhunderts wollte Demia, daß das Lesenlernen in sieben Niveaus unterteilt
werde: das erste Niveau für die Schüler, die gerade die Buchstaben zu erkennen
anfangen; das zweite für die, welche das Buchstabieren lernen, das dritte für
diejenigen, welche die Silben zu verbinden lernen, das vierte für diejenigen,
die Latein satzweise lesen, das fünfte für diejenigen, die Französisch zu lesen
beginnen, das sechste für die besseren Leser; das siebte für diejenigen, welche
Handschriften lesen.“ (ebd. S. 864).
Diese Unterteilung hat nun für die
Schuler zu Folge, dass sie, minutiös kontrolliert werden, ihr Lernfortschritt genauestens
dokumentiert und mit ihren Mitschülern verglichen werden kann. Das „partielle“
Lernen hat für den Machthaber den Vorteil immer über jeden Schritt der unter
seiner Macht stehenden Bescheid zu wissen. „Die Einreihung“ der Tätigkeiten
eröffnet die Möglichkeit einer Besetzung der Dauer durch die Macht. Die
Möglichkeit einer detaillierten Kontrolle und pünktlichen Intervention“ (ebd.).
(vgl. ebd.)
Foucault beschäftigt sich
anschließend in seinem Buch mit der „Zusammensetzung
der Kräfte“. Dabei geht er auf die
Infanterie der spanischen Armee ein und wie sie sich in ihrem Aufbau
zusammensetzte. Dabei richtete sich die Anordnung der Soldaten nach Tüchtigkeit
und Dienstalter. Aus diesem Grunde „sprach man von der „furchterregenden
Infanterie der Armee Spaniens“ (ebd. S. 867). Doch die Gliederung und
Unterteilung der Einheiten in kleinere Einheiten machte an diesem Punkt keinen
Halt. Es wurden „Divisionen“ gegründet. Mit der Erfindung des Gewehres trat das
Geschick des Einzelnen in den Hintergrund. „Der Körper wird auf seine Funktion
reduziert, und gleichzeitig wird dieser segmentierte Körper seinerseits als ein
Segment in eine Gesamtheit eingefügt“ (ebd. S. 869). Foucault schließt
zusammenfassend, dass „die Disziplin mit ihrer Körperkontrolle vier Typen von
Individualität oder vielmehr eine Individualität mit vier Merkmalen produziert:
diese Individualität ist zellenförmig […]: sie ist organisch […]; sie ist
evolutiv […]; sie ist kombinatorisch“ (ebd. S.872). (vgl. ebd., S. 871ff)
Im nächsten Abschnitt dieser Arbeit
wird der Begriff des Panoptikums und sein Konzept dargelegt. Des Weiteren wird
beleuchtet wie Foucault in seinem Buch zu dieser Idee von Bantham steht und
welche Formen von Macht wirken.
Das Panoptikum von Bantham ist ein
Entwurf für ein Gefängnis welches sich durch die Permanente Überwachung der
Insassen auszeichnet. Die Zellen sind Kreisförmig angelegt, sodass ein einziger
Wachturm in der Mitte des Gebäudes ausreicht um alle Insassen zu überwachen.
Dies ist möglich da die Zellen nach innen „offen“ sind, das heißt ein einziger
Werter kann immer und zu jeder Zeit in jede Zelle sehen. Diese Anordnung von
Zellen kann auch dem Versuch dienen, da man so verschiedene Medikamente oder
Arbeitsschritte an die verschiedenen Insassen vergeben kann und Zeitgleich das
Ergebnis vergleichen. (vgl. Foucault, 1977, S. 919ff)
Als Einleitung dazu beschreibt
Foucault die Abriegelung einer Stadt im Falle der Pest. Sein Hauptaugenmerk
liegt dabei auf der Organisation und der Parzellierung des Raumes. Im ersten
Schritt wird die Stadt geschlossen und in verschiedene Viertel unterteilt. Danach
folgt die Unterweisung jeder Straße an eine Autorität eines Syndikus, welcher
eben diese überwacht und einen Verstoß der Ausgangsperre mit dem Tode bestraft.
Der Syndikus ist für das absperren der Türen der einzelne Häuser
verantwortlich. Die Versorgung mit Wein und Brot innerhalb der Stadt wird durch
eigens dafür angelegte Holzkanäle ermöglicht, die garantieren das zwischen den
einzelnen Bewohnern als auch den Lieferanten kein direkter Kontakt zu Stande
kommt. Die Überwachung der Bewohner erfolgt lückenlos, da der Syndikus jeden
zweiten Tag die Einwohner der Häuser an ein Fenster kommen lässt um ihren
Zustand zu prüfen. Ein nicht befolgen dieser Anweisung wird wiederum mit dem
Tode bestraft. (vgl. ebd. S.900f)
Der nächste Schritt ist nun nach fünf
oder sechs Tagen die Häuser systematisch zu reinigen, indem man „Riechstoff“ in
den Räumen versprüht und das Haus nach außen hin abdichtet. Foucault schreibt
zu dieser Vorgehensweise:
„Dieser geschlossene, parzellierte, lückenlos überwachte
Raum, innerhalb dessen die Individuen in feste Plätze eingespannt sind, die
geringsten Bewegungen kontrolliert und sämtliche Ereignisse registriert werden,
eine ununterbrochene Schreibarbeit das Zentrum mit der Peripherie verbindet,
die Gewalt ohne Teilung in einer bruchlosen Hierarchie ausgeübt wird, jedes
Individuum ständig erfaßt, geprüft und unter die Lebenden, die Kranken und die
Toten aufgeteilt wird- dies ist das kompakte Modell einer Disziplinierungsanlage“
(ebd. S.902.).
An dieser Stelle wird bereits
deutlich worauf Foucault in weiterer Folge hinaus will, die totale Überwachung
genutzt als Institution. Im Falle der Stadt steckt hinter diesen Maßnahmen die
Angst vor der Ausbreitung der Krankheit, in dem Modell des Panoptikums geht um
die effiziente Überwachung von Kranken oder Gefangenen. In beiden Modellen
handelt es sich um Methoden Macht über Menschen auszuüben. (vgl. ebd. 903f)
Das Panoptikum ist, wie bereits zu Beginn
des Kapitels beschrieben, eine bewusste architektonische Ausführung der
Ausübung von Macht. Durch die ringförmige Anordnung der Zellen welche von außen
beleuchtet werden, um dem Wärter der sich in dem in der Mitte stehenden Turm
befindet, permanenten Einblick zu gewähren.
Durch diese Konstruktion ist wird jede Zelle zu einer Art Theater, in
dem der Insasse als Akteur allein ist, „vollkommen individualisiert und ständig
sichtbar. „Daraus ergibt sich die Hauptwirkung des Panopticon: die Schaffung
eines bewußten und permanenten Sichtbarkeitszustandes beim Gefangen, der das
automatische Funktionieren der Macht sicherstellt“ (ebd. S. 905). Durch die Tatsache,
dass der Wärter im Inneren des Turmes von den Zellen aus nicht gesehen werden
kann, die Insassen sich jedoch ihrer ständigen Sichtbarkeit bewusst sind, wirkt
die Macht automatisiert und endindividualisierend. Die Insassen wissen zu
keinem Zeitpunkt ob sie beobachtet werden oder ob überhaupt jemand anwesend ist
der sie beobachten könnte. Daraus ergibt
sich eine Asymmetrie, ein Gefälle, welches den Unterschied zwischen Machthaber
und Insassen sicherstellt.
Foucault beschreibt auch die verschiedenen
Anwendungsmöglichkeiten des Panoptikums, so kann es nicht nur als Gefängnis
dienen, sondern auch la Laboratorium. Es können Experimente an Menschen
vorgenommen werden, zum Beispiel durch die Gabe von Medikamenten an die
Insassen. Außerdem kann eine Veränderung des Verhaltens der Gefangenen durch
gezielte Setzung von Strafen beobachtet und die wirksamste herausgefunden
werden. (vgl. ebd. S. 910)
Vergleicht man nun das Konzept des
Panoptikums mit dem der verpesteten Stadt so ergeben sich beträchtliche
Unterschiede. Im Falle der Stadt handelt es sich um eine Ausnahmesituation, in
welcher sich die Macht zur Abwehr des Übels formiert. Sie unterteilt die
Gesellschaft und den Raum, letzten Endes ist es eine Unterscheidung von Leben
und Tod reduziert. Das Panoptikum hingegen „ist ein verallgemeinerungsfähiges
Funktionsmodell“ (ebd. S. 911) welches als eine Form wissenschaftliches
Gefängnis fungiert. Die Gebrauchsweisen sind unterschiedlich so kann das die
Besserung der Insassen das Ziel sein als auch die reine Überwachung. Es schafft
die Möglichkeit, dass einige wenige über immer mehr Personen Macht ausüben.
Diese Tatsache lässt den Panoptismus als ein Prinzip politischer Anatomie
erscheinen, „die es nicht mit dem Verhältnis der Souveränität, sondern mit den
Beziehungen der Disziplin zu tun hat“ (ebd. S. 914). Im Falle des Gefängnisses entstehen
zwei Formen von Disziplin. Auf der einen Seite die, welche auf die Funktion der
Setzung von Grenzen abzielt. Das Bannen von Bösen, die Unterbrechung der
Beiziehungen und die Aufhebung von Zeit. Auf der anderen Seite stehen die
Effizienz der Überwachung und die Ausübung der Macht. (vgl. ebd. S. 910ff)
Doch inwiefern ist der Vergleich mit
einer Stadt heute gerechtfertigt? Wie sehen die Strukturen der Macht in den
modernen Städten Europas aus? Das nächste Kapitel widmet sich diesen Fragen und
bemüht sich um ihre Beantwortung.
Das Panoptikum hat das Stadium der
Planung und des Gedankenexperimentes nie überschritten, jedoch finden sich in
der Moderne Parallelen zu diesem Konzept. In diesem Teil der Arbeit sollen die
sich überschneidenden Aspekte aufgeführt werden.
„Das Panoptikum verband die Insassen durch seine räumliche
Struktur, zudem wurden die Zeitroutinen durch die Machthaber festgelegt. Im
Post-Panoptikum hingegen wird man im Raum fixiert und ist unfähig, Herr seiner
eigenen Zeit zu sein.“ (Varcoe & Kilminster, 2002, S. 32)
Dieses Zitat ist eine Andeutung
darauf, dass die Individuen des einundzwanzigsten Jahrhunderts sich zwar frei
in einer Umgebung bewegen, es aber im Grunde nicht sind. Dieser Zustand wird
durch die Globalisierung und Technisierung der Gesellschaft herbeigeführt. Um das
schon gesagte zu konkretisieren wird im Folgenden auf ein Zitat von Varcoe und
Kilminster verwiesen.
„Bauman weist darauf hin, dass die andre Seite von
Globalisierung Lokalisierung ist. Wenn Beweglichkeit die neue Machtquelle ist,
dann ist sie ungleich verteilt: die Mehrheit kann sich nicht frei bewegen.“ (Varcoe
& Kilminster, 2002, S. 30)
Doch sind die Individuen wirklich
frei nur weil sie sich frei bewegen können? Die ständige Überwachung sei es die
unfreiwillige mittels Kameras, oder die Freiwillige mittels social media ergibt
eine erschreckende Parallele zu Banthams Panoptikum. Das stetige unter
Beobachtung stehen ohne zu wissen wer oder ob jemand einen gerade sieht ist
eines der Grundpfeiler Banthmans Konzeptes. Ausgehend von dieser These trotz
aller Freiheit nicht frei zu sein titelte der Spiegel online am
20.07.2010:
„Kameraüberwachung in London: Big Brother sieht sich satt. London ist die Welthauptstadt der
Späher: In kaum einer Metropole gibt es mehr Überwachungskameras. Doch jetzt
wächst die Kritik am Sicherheitswahn. Die Technik gilt als teuer und
ineffizient, die neue Regierung will den Wildwuchs eindämmen“ (Volkery, 2010).
Dieses
Zitat lässt allerdings vermuten, dass nicht wie im Falle des Panoptikums die
Überwachung das Verhalten der Überwachten beeinflusst, sondern, dass die
Überwachung keine Veränderung mit sich bringt. Die Frage ob und falls, warum
dies der Fall ist kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht beantwortet
werden. Jedoch soll das schon
beschriebene zum Nachdenken auffordern und ein Bewusstsein dafür schaffen in
welche Richtung sich die moderne Gesellschaft bewegt.
Es gibt verschiedene Bedeutungen des Machtbegriffes in der
Soziologie, so ist es erforderlich beim Lesen eines Textes sich über die
unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten bewusst zu sein. Je nach Autor kann das
Verständnis und der Gebrauch des Terms variieren. Des Weiteren hat diese Arbeit
gezeigt das Foucault selbst, der sich mit dem Begriff in seinem Leben des
Öfteren auseinandergesetzt hat, keine einfache Definition gefunden hat, welche
das Spektrum seines Gebrauches des Begriffes abdeckt. Seine Beschreibung der
Macht welche er zu Beginn seines Buches in minutiös ausgeführten Bewegungen im
militärischen Drill findet, findet er ebenso in der minutiösen Unterteilung der
Zeit innerhalb der Ausbildung eines Lehrlings. Generell stehen für Foucault die
Unterteilung von Zeit, Raum, und Arbeitsschritten eng in Verbindung mit dem
Begriff der Macht. Des Weiteren stehen in Foucaults Arbeit der Term der
Effizienz ebenso eng im Zusammenhang mit dem der Macht, da das Effiziente immer
mit der Ausübung von Macht einhergeht. (vgl. ebd., S. 871ff)
Das Panoptikum von Bantham welchem
in Foucaults Arbeit ein ganzes Kapitel gewidmet ist, ist der zu Papier
gebrachte Versuch eine Anstalt zu errichten welche an Effizienz nicht zu
übertreffen scheint. Foucault sieht in der Anordnung und Unterteilung der
Zellen die Ausübung von Macht einiger Weniger auf viele. Die Disziplin im Falle
des Panoptikums gliedert sich in zwei Formen. Zum einen dient es der Abgrenzung
des Bösen, des nicht normalen vom Normalen und der durch die minutiöse Gliederung
von Zeit und Raum, der Aufhebung der Zeit. Zum Andren dient es der Effizienz
der Überwachung und er Ausübung von Macht (vgl. ebd. S. 910ff).
Da sich der Machtbegriff Foucaults im
Laufe seiner Arbeit zu verändern scheint, ist es nicht möglich diesen auf eine
Definition herunter zu brechen. Ziel dieser Arbeit war es das Verständnis von
Macht in Foucaults Sinn zu erläutern und aufzuarbeiten. Da dem Panoptikum in
seinem Werk „Überwachen und Strafen“ ein großer Teil gewidmet ist, war es
unumgänglich dieses in die Arbeit einfließen zu lassen. Der Bezug auf die
Moderne wurde in dieser Arbeit sehr kurz gehalten, da eine genauere
Auseinandersetzung den Rahmen der Arbeit um ein Vielfaches sprengen würde, doch
könnte diese Arbeit als Grundlage für weiterführende theoretische als auch
praktische Forschungen zu diesem Thema dienen.
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abgerufen
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