Samstag, 18. November 2017

Seminararbeit Michel Foucault „Überwachen und Strafen“: Die ständige Präsenz von Macht in der Moderne.



Abstract:

In dieser Arbeit wird zu Beginn der Begriff der Macht in der Soziologie verortet und anschließend im Verständnis Foucaults dargelegt. Danach wird sein Werk und die Auseinandersetzung mit dem Machtbegriff aufgearbeitet, gefolgt von einer auf den Machtbegriff bezogene Analyse des Panoptikums von Bantham. Den Schluss bildet ein Abbild der Überwachung in der Moderne, welche in Bezug zum Konzept Banthams steht.

In this paper at first the term of power in reference to sociology is discussed, followed by the understanding Foucaults of it`s meaning. Afterwards Fouaults book “Überwachen und Strafen” is in the focus of attention. The term of power and the reference to Banthams panopticon is also part of this paper. In the end, the modern time and the monitoring of the individuals are in the centre of attention.



Die Ausübung von Macht ist in der Moderne alltäglich und allgegenwärtig, doch was wird eigentlich unter dem Begriff der Macht verstanden? Schlägt man den Begriff im Duden nach so werden fünf Bedeutungen aufgelistet.

1.      Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die jemandem oder einer Sache andern gegenüber zur Verfügung stehen; Einfluss
2.      etwas, was eine besondere bzw. geheimnisvolle Kraft darstellt, besitzt
3.      mit dem Besitz einer politischen, gesellschaftlichen, öffentlichen Stellung und Funktion verbundene Befugnis, Möglichkeit oder Freiheit, über Menschen und Verhältnisse zu bestimmen, Herrschaft auszuüben
4.      a. politisch und wirtschaftlich einflussreicher Staat
b. mächtige, einflussreiche Gruppe, Schicht o. Ä.
5.      (veraltend) Heer, Truppen (Duden-online)

Dies verdeutlicht die unterschiedliche gebrauchsweise und Bedeutung des Begriffs. Die deutlichste Differenz in den Bedeutungen ist die Ausübung der Macht. So entspricht der zweite Punkt einer Form von Anziehung, der fünfte Punkt jedoch beschreibt eine Form von körperlicher Gewalt. Ebenso spielen Politik und Ökonomie in dieser Begriffsdefinition eine Rolle, doch wie wird nun „Macht“ in der Soziologie verstanden?  Für diese Arbeit ergeben sich folgende Fragestellungen:

Fragestellungen der Arbeit:

In folgender Arbeit sollen folgende Fragen beantwortet werden.

1.      Wie wird der Macht- Begriff in der Soziologie verwendet?
2.      Wie steht Michel Foucault zu dem Begriff und wofür steht das Panoptikum in seiner Arbeit?
3.      Wie wird Macht im Verständnis Foucaults heute ausgeübt?

Zu Beginn dieser Arbeit wird der Machtbegriff in der Soziologie allgemein erläutert, dabei werden verschiedene Auffassungen des Begriffes herausgearbeitet. Darauf folgt eine Auseinandersetzung mit dem Werk „Überwachen und Strafen“ von Foucault anhand dessen der Machtbegriff in seinem Verständnis erläutert wird. Dem Kapitel des Panoptikums wird ein eigener Abschnitt dieser Arbeit gewidmet. Im Anschluss wird die Ausübung von Macht in der Moderne im Zusammenhang mit Foucault beleuchtet. Den Schluss bilden ein Fazit und eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit.

Der Begriff der Macht nach Weber:

„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Wiederstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber, 1976, S. 28) Im Begriff Webers geht es um die bestehende Chance seinen eigenen Willen durchzusetzen, im Vergleich zu Foucault, welcher die Physische Gewaltanwendung in seinem Machtbegriff nicht miteinbezieht lässt Webers Definition von Macht diese Möglichkeit offen.
Des Weiteren unterscheidet Weber zwischen legitimier und illegitimer Macht. Die legitime Form von Macht ist gleichzusetzten mit „Herrschaft“, da sie auf Befehlen und der Ausführung dieser beruht. Der Befehl dient dabei dem durchzusetzenden Willen desjenigen der die Macht ausübt. Diese Form der Macht ist innerhalb sozialer Beziehungen anerkannt. Illegitmime Macht hingegen wird innerhalb sozialer Beziehungen nicht anerkannt und erfordert in ihrer durchsetzung Körperliche Gewalt oder eine andre Form von Einflussnahme. (vgl. Bango, 1994, S. 77)
Weber spezifiert den Begriff der Macht in drei weitere Kategorien. Die persönliche Macht, welche sich zum beispiel aus einem Wissensvorsprung begründen kann, welcher dem Machthaber in der Argumentation einen Vorteil verschaffen kann und somit sein Gegenüber zu beeinflussen weiß. (vgl. Mogge-Grotjahn, 1996, S. 81) Politische Macht äußert sich im Vorteil von Ressourcen oder Positionen innerhlab einer Hirachie. Die letzte Ausprägung ist die militärische Macht  welche sich durch die „physische Überlegenheit“ äußert. (vgl. Ams, 2000, S. 4)

Die symbolische Gewalt nach Pierre Bourdieu:

Bourdieu verwendet den Begriff der Macht nicht direkt, sondern führt den Begriff der symbolischen Gewalt ein, „ein Ausdruck, den Bourdieu synonym zu symbolischer Macht oder symbolischer Herrschaft gebraucht „ (Moebius & Wetterer, 2011) „Die symbolische Gewalt welche der symbolischen Macht gleichzusetzen ist im Verständnis von Bourdieu, ist ähnlich Foucaults keine Physische Macht. Sie zeichnet sich dadurch aus weder unmittelbar bewusst noch offen zugegen zu sein. Sie ist eine „sanfte Gewalt“, eine Herrschaft über die „Köpfe und Herzen“ (Krais, 2004, S. 186)  Sein Konzept der Macht unterscheidet sich von den schon genannten insofern als das er „auch die körperliche und unbewusst- spontane Dimension von symbolischer Gewalt sowie ihren objektiven Charakter in den Blick nimmt“ (Moebius & Wetterer, 2011, S. 1)„Von symbolischer Herrschaft oder Gewalt sprechen heißt davon, dass der Beherrschte, von einem subversiven Aufruhr abgesehen, der zur Umkehrung der Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien  führt, dazu  tendiert,  sich  selbst  gegenüber den  herrschenden Standpunkt einzunehmen.“ (Bourdieu, 2005, S. 202) das heißt, die dominierten tragen paradoxerweise zu ihrer eigenen Unterwerfung bei. Die symbolische Gewalt hat deshalb eine gleichsam „magische“ Kraft (Moebius & Wetterer, 2011, zitiert nach, Bourdieu, 2001, S. 216f)

Verwendung des Begriffs im Verständnis von Foucault: 

Foucault verwendet den Begriff der Macht sehr abstrakt. So beschreibt er sie als etwas nicht Allumfassendes, sondern als „von überall kommend“ und aus diesem Grund ist Macht überall. Des Weieren erachtet er es als unumgänglich Nominalist zu sein, da die Macht in seinem Empfinden keine Institution oder Sturkur ist. Ebenso sieht er sie nicht als „Mächtigkeit einiger Mächtiger“ sondern als Namen welcher einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft zugeschrieben wird. (vgl. Foucault, 1977, S. 93ff) „Machtbeziehungen verhalten sich zu anderen Typen von Verhältnissen (ökonomischen   Prozessen, Erkenntnisrelationen, sexuellen Beziehungen) nicht als etwas Äußeres, sondern sind ihnen immanent.“ (Foucault, 1977, S. 94)  Der Wiederstand gegen eine Macht ist allgegenwärtig, somit ist der Ausübung von Macht auch immer eine Gegenläufigkeit gegenübergestellt. Dies führt jedoch unweigerlich dazu, dass der Wiederstand niemals außerhalb der Macht selbst liegt.  (vgl. Foucault, 1977, S. 93ff)

Im folgenden Teil der Arbeit wird der Machtbegriffs Foucaus anhand seiner Ausführungen und Beispiele genauner behandelt. Dabei wird auf das Buch „Üerwachen und Strafen“ bezug genommen und anhand der Beispiele Foucaults versucht sein Verständnis von macht zu erläutern.


Foucaults Werk über die Macht

In dem Buch „Überwachen und Strafen“ beschreibt Foucault zu Beginn am Beispiel des Soldaten, die Veränderungen des Körpers im Laufe der Jahrhunderte. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Haltungen und Gesten des Soldaten und auf der Mechanisierung dieser. Er bezeichnet dies als die „Entdeckung des Körpers als Gegenstand und Zielscheibe der Macht“ (Foucault, Überwachen und Strafen, 1977, S. 838).Der Mensch wird nicht mehr als Individuum gesehen, sondern als Maschine, dabei steht die Optimierung des Körpers im Vordergrund.
Foucault führt den Begriff der Disziplin ein, um den nicht gewaltsamen Vorgang der Machtausübung auf einen Körper zu beschreiben. Diese Art von Verhältnis ist davon gekennzeichnet, dass der Köper umso gefügiger wird, je nützlicher er ist und umgekehrt. (vgl. ebd. S.839ff)
Ein weiterer Aspekt der Machtausübung ist die Kunst der Verteilung. Foucault beschreibt die Verteilung von Individuen im Raum um sie zu überwachen. Er nennt dabei die Klausur als Beispiel für die räumliche Trennung zum Zweck der Kontrolle. Dieses Prinzip lässt sich ebenso auf Kasernen, Fabriken oder Klöster ableiten. Ein weiterer Terminus ist die Parzellierung, welche durch das Zuweisen eines Individuums an einen bestimmten Platz erfolgt. (vgl. ebd., S. 845f) Dies führt wiederum zur Kontrolle der einzelnen Individuen im Raum, im ökonomischen Sinn steht ebenso die Gewinnmaximierung im Fokus dieser Praktik.
Ein weiteres Merkmal der Disziplin ist der Rang welcher die Position eines Individuums bestimmt, diese aber nicht festsetzt, er lässt sie in „einem Netz von Relationen (S. 849)“ zirkulieren. Um diese Einteilung aufrecht erhalten zu können werden architektonische Räume benötigt die den Bedürfnissen der Disziplinen gerecht werden. Foucault nennt diese „lebende Tableaus“, sie stellen eine zellenförmige Machttechnik und ein Wissensverfahren im Raum dar.
Um Macht auf viele Individuen gleichzeitig ausüben zu können ist die Kontrolle der Tätigkeiten unausweichlich. Sie ist in die fünf folgenden Punkte unterteilt:



1.      Zeitplanung
2.      Zeitliche Durcharbeitung der Tätigkeit
3.      Zusammenschaltung von Körper und Geste
4.      Die Zusammenschaltung von
Körper und Objekt
5.      Die erschöpfende Ausnutzung

Die Zeitplanung soll den Körper in Rhythmen und Wiederholungen zwängen, dabei ist die Genauigkeit der Ausführungen und die Aufmerksamkeit des Individuums auf die Ausführung der Tätigkeiten maßgeblich. Die zeitliche Durcharbeitung der Tätigkeit wird mittels eines Programms gewährleistet und kontrolliert, dabei durchdringt die Zeit den Körper. Die Gesten sollen nicht nur erlernt oder erzwungen werden, sie sollen in optimaler Beziehung zum Körper stehen. Bei der Zusammenschaltung von Körper und Objekt nennt Foucault den Umgang mit der Waffe als Beispiel für das durch die Disziplin definierte Verhältnis, in dem der Körper zu dem Objekt stehen muss. Er beschreibt es des Weiteren als „Beispiel für eine Instrumentelle Codierung des Körpers (ebd., S. 857)“. In dem fünften und letzten oben angeführten Punkt der erschöpfenden Ausnutzung beschreibt Foucault das Ablösen des mechanischen Körpers durch den natürlichen Körper. Dieser Disziplinarmacht entspricht eine Individualität, die nicht nur analytisch und „zellenförmig“, sondern auch natürlich und „organisch“ ist. (ebd., S. 860) „Mit dieser Unterwerfungstechnik bildet sich ein neues Objekt aus, das den mechanisierten Körper langsam ablöst: den festen und beweglichen Körper, dessen Bild die Träume der Disziplinarvollkommenheit so lange begeistert hatte“ (ebd., S. 859)

Im nächsten Teil seiner Arbeit geht Foucault auf „Die Organisation von Entwicklungen“ ein.  Dabei steht die individuelle als auch totale Abhängigkeit des Lehrlings von seinem Meister im Mittelpunkt. In einem Edikt von 1737 wird für die Lehrlinge der Gobelinmanufaktur eine Zeichenschlue begründet, die nicht als Ersatz, sondern als Zusatz zur Ausbildung bei den Meistern gedacht ist. Dabei ist die Strukturierung von Zeit ein wichtiger Eckpfeiler. Die Schüler sollen mit Ausnahme von Sonn und Feiertagen ihre Ausbildung und Zeit in der Schule verbringen in der sie einen an der Wand befestigten, in einer Liste angeführten, Appell ausführen. Die von den Schülern abzugebenden Werke werden mit Namen und Datum versehen, abgegeben und bewertet. Die Überwachung und Organisation ihrer Zeit steht neben der Ausbildung an erster Stelle. Die Schüler werden mittels ihrer Werke miteinander verglichen und auch die von ihnen benötigte Zeit um Fertigkeiten zu erlernen entgeht keiner Beurteilung. (vgl. ebd. S.  861).
Foucault beschreibt diese Schule als Beispiel für ein Phänomen welches er als bedeutsam für das klassische Zeitalter empfindet. Die „sich vollziehenden Entwicklungen einer neuen Technik zur Erfassung der Zeit der Einzelexistenzen; zur Reglementierung der Verhältnisse der Zeiten, Körper und Kräfte; zur Akkumulation der Dauer; und zur ständigen Steigerung der Rentabilität des Zeitflusses“ (ebd.).
Diese Form der Überwachung und optimalen Nutzung von Zeit wird in den folgenden Jahren auf Militärschulen übertragen, in denen Kinder im jüngsten Alter vom „Vaterland adoptiert“ werden um ihnen die „Positur, das Marschieren, die Handhabung der Waffen, das Abfeuern“ (ebd., S. 862) näherbringt. Um das zu Erlernende und den Vorschritt der Schüler besser kontrollieren zu können werden nicht nur die Zeit, sondern auch die Lektionen in einzelne Schritte zerlegt. (vgl. ebd., 862ff). „Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wollte Demia, daß das Lesenlernen in sieben Niveaus unterteilt werde: das erste Niveau für die Schüler, die gerade die Buchstaben zu erkennen anfangen; das zweite für die, welche das Buchstabieren lernen, das dritte für diejenigen, welche die Silben zu verbinden lernen, das vierte für diejenigen, die Latein satzweise lesen, das fünfte für diejenigen, die Französisch zu lesen beginnen, das sechste für die besseren Leser; das siebte für diejenigen, welche Handschriften lesen.“ (ebd. S. 864).
Diese Unterteilung hat nun für die Schuler zu Folge, dass sie, minutiös kontrolliert werden, ihr Lernfortschritt genauestens dokumentiert und mit ihren Mitschülern verglichen werden kann. Das „partielle“ Lernen hat für den Machthaber den Vorteil immer über jeden Schritt der unter seiner Macht stehenden Bescheid zu wissen. „Die Einreihung“ der Tätigkeiten eröffnet die Möglichkeit einer Besetzung der Dauer durch die Macht. Die Möglichkeit einer detaillierten Kontrolle und pünktlichen Intervention“ (ebd.). (vgl. ebd.)

Foucault beschäftigt sich anschließend in seinem Buch mit der „Zusammensetzung der Kräfte“.  Dabei geht er auf die Infanterie der spanischen Armee ein und wie sie sich in ihrem Aufbau zusammensetzte. Dabei richtete sich die Anordnung der Soldaten nach Tüchtigkeit und Dienstalter. Aus diesem Grunde „sprach man von der „furchterregenden Infanterie der Armee Spaniens“ (ebd. S. 867). Doch die Gliederung und Unterteilung der Einheiten in kleinere Einheiten machte an diesem Punkt keinen Halt. Es wurden „Divisionen“ gegründet. Mit der Erfindung des Gewehres trat das Geschick des Einzelnen in den Hintergrund. „Der Körper wird auf seine Funktion reduziert, und gleichzeitig wird dieser segmentierte Körper seinerseits als ein Segment in eine Gesamtheit eingefügt“ (ebd. S. 869). Foucault schließt zusammenfassend, dass „die Disziplin mit ihrer Körperkontrolle vier Typen von Individualität oder vielmehr eine Individualität mit vier Merkmalen produziert: diese Individualität ist zellenförmig […]: sie ist organisch […]; sie ist evolutiv […]; sie ist kombinatorisch“ (ebd. S.872). (vgl. ebd., S. 871ff)

Im nächsten Abschnitt dieser Arbeit wird der Begriff des Panoptikums und sein Konzept dargelegt. Des Weiteren wird beleuchtet wie Foucault in seinem Buch zu dieser Idee von Bantham steht und welche Formen von Macht wirken.



Das Panoptikum von Bantham ist ein Entwurf für ein Gefängnis welches sich durch die Permanente Überwachung der Insassen auszeichnet. Die Zellen sind Kreisförmig angelegt, sodass ein einziger Wachturm in der Mitte des Gebäudes ausreicht um alle Insassen zu überwachen. Dies ist möglich da die Zellen nach innen „offen“ sind, das heißt ein einziger Werter kann immer und zu jeder Zeit in jede Zelle sehen. Diese Anordnung von Zellen kann auch dem Versuch dienen, da man so verschiedene Medikamente oder Arbeitsschritte an die verschiedenen Insassen vergeben kann und Zeitgleich das Ergebnis vergleichen. (vgl. Foucault, 1977, S. 919ff)
Als Einleitung dazu beschreibt Foucault die Abriegelung einer Stadt im Falle der Pest. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Organisation und der Parzellierung des Raumes. Im ersten Schritt wird die Stadt geschlossen und in verschiedene Viertel unterteilt. Danach folgt die Unterweisung jeder Straße an eine Autorität eines Syndikus, welcher eben diese überwacht und einen Verstoß der Ausgangsperre mit dem Tode bestraft. Der Syndikus ist für das absperren der Türen der einzelne Häuser verantwortlich. Die Versorgung mit Wein und Brot innerhalb der Stadt wird durch eigens dafür angelegte Holzkanäle ermöglicht, die garantieren das zwischen den einzelnen Bewohnern als auch den Lieferanten kein direkter Kontakt zu Stande kommt. Die Überwachung der Bewohner erfolgt lückenlos, da der Syndikus jeden zweiten Tag die Einwohner der Häuser an ein Fenster kommen lässt um ihren Zustand zu prüfen. Ein nicht befolgen dieser Anweisung wird wiederum mit dem Tode bestraft. (vgl. ebd. S.900f)
Der nächste Schritt ist nun nach fünf oder sechs Tagen die Häuser systematisch zu reinigen, indem man „Riechstoff“ in den Räumen versprüht und das Haus nach außen hin abdichtet. Foucault schreibt zu dieser Vorgehensweise:

„Dieser geschlossene, parzellierte, lückenlos überwachte Raum, innerhalb dessen die Individuen in feste Plätze eingespannt sind, die geringsten Bewegungen kontrolliert und sämtliche Ereignisse registriert werden, eine ununterbrochene Schreibarbeit das Zentrum mit der Peripherie verbindet, die Gewalt ohne Teilung in einer bruchlosen Hierarchie ausgeübt wird, jedes Individuum ständig erfaßt, geprüft und unter die Lebenden, die Kranken und die Toten aufgeteilt wird- dies ist das kompakte Modell einer Disziplinierungsanlage“ (ebd. S.902.).

An dieser Stelle wird bereits deutlich worauf Foucault in weiterer Folge hinaus will, die totale Überwachung genutzt als Institution. Im Falle der Stadt steckt hinter diesen Maßnahmen die Angst vor der Ausbreitung der Krankheit, in dem Modell des Panoptikums geht um die effiziente Überwachung von Kranken oder Gefangenen. In beiden Modellen handelt es sich um Methoden Macht über Menschen auszuüben. (vgl. ebd. 903f)
Das Panoptikum ist, wie bereits zu Beginn des Kapitels beschrieben, eine bewusste architektonische Ausführung der Ausübung von Macht. Durch die ringförmige Anordnung der Zellen welche von außen beleuchtet werden, um dem Wärter der sich in dem in der Mitte stehenden Turm befindet, permanenten Einblick zu gewähren.  Durch diese Konstruktion ist wird jede Zelle zu einer Art Theater, in dem der Insasse als Akteur allein ist, „vollkommen individualisiert und ständig sichtbar. „Daraus ergibt sich die Hauptwirkung des Panopticon: die Schaffung eines bewußten und permanenten Sichtbarkeitszustandes beim Gefangen, der das automatische Funktionieren der Macht sicherstellt“ (ebd. S. 905). Durch die Tatsache, dass der Wärter im Inneren des Turmes von den Zellen aus nicht gesehen werden kann, die Insassen sich jedoch ihrer ständigen Sichtbarkeit bewusst sind, wirkt die Macht automatisiert und endindividualisierend. Die Insassen wissen zu keinem Zeitpunkt ob sie beobachtet werden oder ob überhaupt jemand anwesend ist der sie beobachten könnte.  Daraus ergibt sich eine Asymmetrie, ein Gefälle, welches den Unterschied zwischen Machthaber und Insassen sicherstellt.
Foucault beschreibt auch die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten des Panoptikums, so kann es nicht nur als Gefängnis dienen, sondern auch la Laboratorium. Es können Experimente an Menschen vorgenommen werden, zum Beispiel durch die Gabe von Medikamenten an die Insassen. Außerdem kann eine Veränderung des Verhaltens der Gefangenen durch gezielte Setzung von Strafen beobachtet und die wirksamste herausgefunden werden. (vgl. ebd. S. 910)
Vergleicht man nun das Konzept des Panoptikums mit dem der verpesteten Stadt so ergeben sich beträchtliche Unterschiede. Im Falle der Stadt handelt es sich um eine Ausnahmesituation, in welcher sich die Macht zur Abwehr des Übels formiert. Sie unterteilt die Gesellschaft und den Raum, letzten Endes ist es eine Unterscheidung von Leben und Tod reduziert. Das Panoptikum hingegen „ist ein verallgemeinerungsfähiges Funktionsmodell“ (ebd. S. 911) welches als eine Form wissenschaftliches Gefängnis fungiert. Die Gebrauchsweisen sind unterschiedlich so kann das die Besserung der Insassen das Ziel sein als auch die reine Überwachung. Es schafft die Möglichkeit, dass einige wenige über immer mehr Personen Macht ausüben. Diese Tatsache lässt den Panoptismus als ein Prinzip politischer Anatomie erscheinen, „die es nicht mit dem Verhältnis der Souveränität, sondern mit den Beziehungen der Disziplin zu tun hat“ (ebd. S. 914). Im Falle des Gefängnisses entstehen zwei Formen von Disziplin. Auf der einen Seite die, welche auf die Funktion der Setzung von Grenzen abzielt. Das Bannen von Bösen, die Unterbrechung der Beiziehungen und die Aufhebung von Zeit. Auf der anderen Seite stehen die Effizienz der Überwachung und die Ausübung der Macht.  (vgl. ebd. S. 910ff)

Doch inwiefern ist der Vergleich mit einer Stadt heute gerechtfertigt? Wie sehen die Strukturen der Macht in den modernen Städten Europas aus? Das nächste Kapitel widmet sich diesen Fragen und bemüht sich um ihre Beantwortung.



Das Panoptikum hat das Stadium der Planung und des Gedankenexperimentes nie überschritten, jedoch finden sich in der Moderne Parallelen zu diesem Konzept. In diesem Teil der Arbeit sollen die sich überschneidenden Aspekte aufgeführt werden.

„Das Panoptikum verband die Insassen durch seine räumliche Struktur, zudem wurden die Zeitroutinen durch die Machthaber festgelegt. Im Post-Panoptikum hingegen wird man im Raum fixiert und ist unfähig, Herr seiner eigenen Zeit zu sein.“ (Varcoe & Kilminster, 2002, S. 32)

Dieses Zitat ist eine Andeutung darauf, dass die Individuen des einundzwanzigsten Jahrhunderts sich zwar frei in einer Umgebung bewegen, es aber im Grunde nicht sind. Dieser Zustand wird durch die Globalisierung und Technisierung der Gesellschaft herbeigeführt. Um das schon gesagte zu konkretisieren wird im Folgenden auf ein Zitat von Varcoe und Kilminster verwiesen.

„Bauman weist darauf hin, dass die andre Seite von Globalisierung Lokalisierung ist. Wenn Beweglichkeit die neue Machtquelle ist, dann ist sie ungleich verteilt: die Mehrheit kann sich nicht frei bewegen.“ (Varcoe & Kilminster, 2002, S. 30)

Doch sind die Individuen wirklich frei nur weil sie sich frei bewegen können? Die ständige Überwachung sei es die unfreiwillige mittels Kameras, oder die Freiwillige mittels social media ergibt eine erschreckende Parallele zu Banthams Panoptikum. Das stetige unter Beobachtung stehen ohne zu wissen wer oder ob jemand einen gerade sieht ist eines der Grundpfeiler Banthmans Konzeptes. Ausgehend von dieser These trotz aller Freiheit nicht frei zu sein titelte der Spiegel online am
 20.07.2010:

„Kameraüberwachung in London: Big Brother sieht sich satt. London ist die Welthauptstadt der Späher: In kaum einer Metropole gibt es mehr Überwachungskameras. Doch jetzt wächst die Kritik am Sicherheitswahn. Die Technik gilt als teuer und ineffizient, die neue Regierung will den Wildwuchs eindämmen“ (Volkery, 2010).

Dieses Zitat lässt allerdings vermuten, dass nicht wie im Falle des Panoptikums die Überwachung das Verhalten der Überwachten beeinflusst, sondern, dass die Überwachung keine Veränderung mit sich bringt. Die Frage ob und falls, warum dies der Fall ist kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht beantwortet werden.  Jedoch soll das schon beschriebene zum Nachdenken auffordern und ein Bewusstsein dafür schaffen in welche Richtung sich die moderne Gesellschaft bewegt.


Es gibt verschiedene Bedeutungen des Machtbegriffes in der Soziologie, so ist es erforderlich beim Lesen eines Textes sich über die unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten bewusst zu sein. Je nach Autor kann das Verständnis und der Gebrauch des Terms variieren. Des Weiteren hat diese Arbeit gezeigt das Foucault selbst, der sich mit dem Begriff in seinem Leben des Öfteren auseinandergesetzt hat, keine einfache Definition gefunden hat, welche das Spektrum seines Gebrauches des Begriffes abdeckt. Seine Beschreibung der Macht welche er zu Beginn seines Buches in minutiös ausgeführten Bewegungen im militärischen Drill findet, findet er ebenso in der minutiösen Unterteilung der Zeit innerhalb der Ausbildung eines Lehrlings. Generell stehen für Foucault die Unterteilung von Zeit, Raum, und Arbeitsschritten eng in Verbindung mit dem Begriff der Macht. Des Weiteren stehen in Foucaults Arbeit der Term der Effizienz ebenso eng im Zusammenhang mit dem der Macht, da das Effiziente immer mit der Ausübung von Macht einhergeht. (vgl. ebd., S. 871ff)
Das Panoptikum von Bantham welchem in Foucaults Arbeit ein ganzes Kapitel gewidmet ist, ist der zu Papier gebrachte Versuch eine Anstalt zu errichten welche an Effizienz nicht zu übertreffen scheint. Foucault sieht in der Anordnung und Unterteilung der Zellen die Ausübung von Macht einiger Weniger auf viele. Die Disziplin im Falle des Panoptikums gliedert sich in zwei Formen. Zum einen dient es der Abgrenzung des Bösen, des nicht normalen vom Normalen und der durch die minutiöse Gliederung von Zeit und Raum, der Aufhebung der Zeit. Zum Andren dient es der Effizienz der Überwachung und er Ausübung von Macht (vgl. ebd. S. 910ff).
Da sich der Machtbegriff Foucaults im Laufe seiner Arbeit zu verändern scheint, ist es nicht möglich diesen auf eine Definition herunter zu brechen. Ziel dieser Arbeit war es das Verständnis von Macht in Foucaults Sinn zu erläutern und aufzuarbeiten. Da dem Panoptikum in seinem Werk „Überwachen und Strafen“ ein großer Teil gewidmet ist, war es unumgänglich dieses in die Arbeit einfließen zu lassen. Der Bezug auf die Moderne wurde in dieser Arbeit sehr kurz gehalten, da eine genauere Auseinandersetzung den Rahmen der Arbeit um ein Vielfaches sprengen würde, doch könnte diese Arbeit als Grundlage für weiterführende theoretische als auch praktische Forschungen zu diesem Thema dienen.


Literaturverzeichnis

Ams, P. (2000). Macht und Herrschaft nach Max Weber. Aachen: Fachbereich Sozialwesen.
Bango, J. (1994). Soziologie für soziale Berufe. Stuttgart: Enke Verlag.
Bourdieu, P. (2001). Meditaionen. Zur Kritik der scholastischen Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Bourdieu, P. (2005). Die männliche Herrschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Duden-online. (kein Datum). Duden. Abgerufen am 17. April 2017 von www.duden.de: http://www.duden.de/node/646644/revisions/1364314/view
Foucault, M. (1977). Sexualität und Wahrheit. Erster Band. Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch.
Foucault, M. (1977). Überwachen und Strafen. (W. Seitter, Übers.) Suhrkamp.
Krais, B. (2004). Soziologie als teilnehmende Objektivierung der sozialen Welt. In S. Moebius, & P. Lothar (Hrsg.), Französische Soziologie der Gegenwart (S. 171-210). Konstanz: UVK.
Moebius, S., & Wetterer, A. (2011). Symbolische Gewalt. ÖZS.
Mogge-Grotjahn, H. (1996). Soziologie. Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg im Breisgau: Lambertus.
Varcoe, I., & Kilminster, R. (2002). Die heraufkommende Postmoderne. In M. Junge, & T. Kron (Hrsg.), Zygmunt Bauman, Soziolgogie zwischen Postmoderne und Ethik (S. 435). Wiesbaden: Springer.
Volkery, C. (20. July 2010). Spiegel Online. Von http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/kameraueberwachung-in-london-big-brother-sieht-sich-satt-a-704269.html abgerufen
Weber, M. (1976). Wirtschaft und Gesellschaft. In M. Weber, Grundriß der verstehenden Soziologie. Tübingen: Mohr Siebeck.


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