In der nachfolgenden Textbesprechung
wird nach einer kurzen Inhaltsangabe der Zusammenhang mit dem Thomas Theorem
und Hartmut Essers „Situationslogik und Handeln“ ausgearbeitet. Darauf folgen einige Kritikpunkte und ein
kurzes Resümee.
Inhalt
Erving Goffman beschreibt in seinem
Buch „Stigma – Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität“ den
Umgang und Ursprung von Stigmata. Hierbei unterscheidet er grundlegend zwischen zwei Situationen, dem
Diskreditieren und dem Diskreditierbarem.
Ersteres meint, dass sich aus Sicht des stigmatisierten Individuums, sein
Stigma, den wie Goffman sie nennt „Normalen“, bereits offenbart hat. Im Zweiten
Fall bleibt das Handikap den anderen Anwesenden verborgen.
Diese Einteilung bildet das
Grundgerüst seiner Arbeit auf welche er immer wieder zurückgreift. Er versucht
diese beiden Begebenheiten so gut es geht zu trennen, auch wenn dies nicht immer
möglich ist, da manche Situationen nicht eindeutig zuzuordnen sind. Im Weiteren geht der Autor auf den Umgang mit
Stigmata ein, wobei er sowohl die Seite der Betroffenen als auch die Perspektive
der nicht Betroffenen erwähnt. Auch die möglichen
aus Stigmata resultierenden Konsequenzen, wie Erpressung und das Führen eines Doppellebens,
führt er auf.
Kontextualisierung
Zieht man nun den Grundsatz des
Thomas- Theorems hinzu, zur Erinnerung: ,,lf men define situations as real, they
are real in their consequences“ (Esser 1999: 63) so könnte man davon ausgehen,
dass es gar kein Stigma benötigt um jemanden zu erpressen. Es reicht schon die
Drohung etwas zu diskreditieren und somit als real darzustellen um jemanden zu
stigmatisieren. Als Veranschaulichung dient das Beispiel der Rufschädigung,
hierbei zählt nicht die Tatsache ob etwas real ist, sondern ob es die
Gesellschaft als real ansieht.
Goffman beschreibt zu Beginn seines
Werkes die Möglichkeit, dass dieselbe Ausgangssituation einmal jemanden
Stigmatisiert, aber ein anderes Mal als gesellschaftlich normal angesehen wird.
Hierzu Goffman:
“ Der Terminus Stigma
wird also in Bezug auf eine Eigenschaft gebraucht werden, die zutiefst
diskreditierend ist, aber es sollte gesehen werden, dass es einer
Begriffssprache von Relationen, nicht von Eigenschaften bedarf. Ein und dieselbe
Eigenschaft vermag den einen Typus zu stigmatisieren, während sie die
Normalität eines anderen bestätigt
(…)“ (Esser 1999: 11)
Zieht man hier die Theorie von William I. Thomas und Florian Znaniecki „The
situation is the set of values and additudes with which the individual or the
group has to deal (..)“ (Esser 1999: 35, zitiert nach Thomas und Znaniecki
1927: 68) hinzu, so wird oben genanntes
bestätigt. Selbst wenn jemand ein Stigma trägt, kommt es auf die
Erfahrungen der „Normalen“ an, welche diese mit jenem gemacht haben. So reagieren
zum Beispiel in Österreich Menschen kaum auf jemanden mit Albinismus1,
jedoch werden in anderen Teilen der Welt Betroffene verstoßen und geächtet oder
aber verehrt. Trägt ein Individuum das Stigma „Albinismus“, kommt es auf die
Gesellschaft an wie damit umgegangen wird. So empfindet ein in Europa lebender
an Albinismus leidender Mensch sein Handikap als gesellschaftlich nicht
problematisch, jedoch in anderen Gegenden der Welt könnte eben jene Pigment
Störung sehr hinderlich im sozialen Leben sein.
Kritik
Goffman liebt es, so ist jedenfalls
der Schein, seine Sätze in die Länge zu ziehen. Er schafft somit eine Fülle an
Gliedsätzen welche es dem Leser erschweren den Überblick zu Behalten.
Andererseits ist er sehr bemüht durch Beispiele seine Thesen und Ideen zu
veranschaulichen und ihre Richtigkeit zu unterstreichen. Für Leser ohne
jegliche Vorkenntnisse bezüglich des Alters des Textes, könnten einige Passagen
oder Worte als anstößig oder störend wirken. Er nennt auf Seite 95 Homosexuelle
in einem Zug mit Prostituierten, Dieben, Bettlern und Rauschgiftsüchtigen. Dies
wäre in der heutigen Zeit nahezu unmöglich, da die Gesellschaft in Bezug auf
dieses Thema einen Wandel durchlebt und seit her viel toleranter gegenüber
Homosexuellen eingestellt ist2. Ein weiteres Beispiel findet sich
auf Seite 96. Hier schreibt Goffman von „schwarzhäutigen Negern2“. Auch
dieser Ausdruck ist nicht mehr Zeitgemäß und könnte einige Leser vor den Kopf
stoßen.
2In
dem Text ist das Wort „Homosexuelle“ mit der Nennung anderer Randgruppen, sehr
negativ behaftet, ich nehme jedoch Abstand davon dem Autor eine feindliche Gesinnung zuzuschreiben.
Resümee
Goffmans Text ist, bis auf die
Sprache, bis Heute gültig. Er Versteht es anhand von Beispielen seine Theorie
zu erklären, wenn auch hin und wieder ein wenig komplizierter als nötig. Das
Thema der Stigmas ist auch in der Heutigen Zeit noch aktuell und wird es wahrscheinlich
noch lange sein. Er definiert klar was er mit seinen verwendeten Fachausdrücken
meint und geht auch kurz auf jene Eventualitäten ein, welche nicht weiter behandelt werden.
Dabei zeigt Goffman, dass sein Werk
auch wirklich gut durchdacht ist, und auch Dinge die er nicht ausführt
gedanklich miteinbezogen hat.
Literatur
Esser, Hartmut. 1999. Soziologie – Spezielle Grundlagen- Band 1:
Situationslogik und Handeln. Frankfurt: Campus Verlag
Goffman, Erving. 1998. Stigma- Über
Techniken der Bewältigung beschädigter Identitäten. Frankfurt am Main: Suhrkamp
Thomas, William / Znaniecki,
Florian. 1927. Florian Methodical Note In: William I., Thomas und Florian,
Znaniecki (Hger). The Polish Peasant in
Europe and America. New York: nicht bekannt, S. 68.
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