Montag, 26. Dezember 2016

Das Konzept der Selbstkontrolle

Die Entstehung:

Das Konzept der Selbstkontrolle von Gottfredson und Hirschi wurde in ihrem Werk „A General Theory of Crime“ 1990 erstmals veröffentlicht. Es entspringt dem Versuch Kriminalität in ihrer Ganzheit zu erfassen. Dabei unterscheiden die Autoren den Prozess der kriminologischen Forschung, bis zur Entstehung des Konzeptes der Selbstkontrolle, in zwei Phasen. Zur ersten Phase zählen die klassischen Theorien wie die Rational Choice Theorie. Zur zweiten Phase gehören die, wie Gottfredson und Hirschi sie nennen, „positivistischen“ Theorien, welche das Denken des 20. Jahrhunderts dominieren. (vgl. Lamnek, 2008, S. 95f)

In der klassischen Kriminologie wird Handeln als Ergebnis willensfreier und rationaler Entscheidungen eines Individuums verstanden. Einer der wichtigsten Vertreter der klassischen Kriminologie ist der Mailänder Aristokrat Cesare Beccaria. Ihm und den anderen Vertretern des klassischen Ansatzes[1], geht es vorranging um die Tat und weniger um den Täter. Ihrer Ansicht nach sind alle Menschen gleich und jeder kann den gesellschaftlichen Umständen somit gleichermaßen begegnen, dies hat zur Folge, dass nur die Tat den Kriminellen von einem Nicht Kriminellen unterscheiden kann. Im Zentrum des Interessens der klassischen Schule steht die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zum begangenen Verbrechen. (vgl. www.krimtheo.crminiologie.de) Gottfredson und Hirschi übernehmen den Handlungsbegriff der klassischen Kriminalitätstheorie und den Stellenwert den die Tat selbst in der klassischen Schule einnimmt in ihr Konzept der Selbstkontrolle. (vgl. Lamnek, 2008, S. 110f)
Die von Gottfredson und Hirschi als „positivistischen Theorien“ benannten Ansätze gehen davon aus, dass Kriminalität anlagebdingt und somit genetisch vererbbar ist. Der wichtigste Vertrerter dieses Ansatzes ist Cecare Lombroso, welcher von einem atavistischen[2] Verprechenstyp ausgeht. Einige Individuuen werden demnach „kriminell“ geboren und würden früher oder später notwendigerweise kriminielle Handlungen begehen. (vgl.http://krimtheo.criminologia.de/) Gottfredson und Hirschi übernhemen von diesem Ansatz den Gedanken, dass die Eigenschaft der Selbstkontrolle zumindest zum Teil angebohren ist. Im Fogenden befindet sich eine Grafik die das bereits beschriebene darstellt und grafisch in Verbingung bringt. 

Im nächsten Teil der Arbeit werden die Begriffe und Ansätze des Konzeptes der Selbstkontrolle von Gottfredson und Hirschi herausgearbeitet.

Begriffe und Ansätze des Konzeptes der Selbstkontrolle:

Das Konzept der Selbstkontrolle ist eine Kontrolltheorie und stellt zu allererst die Frage, was Kriminalität ist. Sie versucht die Abwesenheit und nicht das Entstehen von Kriminalität aufzuzeigen. Gottfredson und Hirschi wollen mit diesem Konzept das Wesen der Kriminalität erkunden und sie nicht nur als abhängige Variable erachten. Ziel ist es, abweichendes Verhalten als eigenständiges Phänomen zu begreifen. Dabei steht die Selbstkontrolle im Mittelpunkt der Theorie. Verfügt ein Individuum über wenig Selbstkontrolle und hat die Gelegenheit zur Kriminalität, ist es wahrscheinlich, dass es zu einer kriminellen Handlung kommt. Gottfredson und Hirschi unterscheiden zwischen „criminality“ und „crime“. Criminiality beschreibt die Tendenz oder Neigung zu kriminellen Verhalten, während crime den eigentlichen Akt des Gesetzesbruchs meint. (vgl. www.krimtheo.de)
Einer der wichtigsten Ansätze des Konzeptes ist, dass fast alle delinquenten Verhaltensweisen dem Ziel der kurzfristigen Befriedigung von Bedürfnissen dienen. Dieses Phänomen wird von Gottfredson und Hirschi als „gemeinsamer Nenner“ von kriminellen Handlungen gedeutet. „Es zeigt sich nämlich, dass in allen Verhaltensweisen sofortiger kurzfristiger Nutzen für den Akteur entsteht und langfristig, dass das Handeln mit Kosten belastet ist.“ (Lamnek, 2008, S. 109). Das bedeutet, dass Individuen dazu neigen den kurzfristigen Nutzen in der „Kosten Nutzen Kalkulation“ höher zu bewerten als die langfristigen Kosten. An diesem Punkt ist die Eigenschaft der Selbstkontrolle entscheidend. Ein Individuum welches sich nicht der Norm entsprechend, also delinquent verhält, verfügt nach Gottfredson und Hirschi über eine geringere Selbstkontrolle als Menschen die sich der Norm entsprechend verhalten. Wie in der Einleitung bereits vorweggenommen, haben die Autoren des Werkes „A General Theory of Crime“ einen für die Soziologie sehr unüblichen Weg genommen um das Konzept der Selbstkontrolle zu veranschaulichen. Anschließend befindet sich eine Grafik welche die Formel der „Kosten Nutzen Kalkulation“ enthält. Die einzelnen Variablen sind ebenfalls in dieser Tabelle angeführt. Darauf folgt eine genaue Erläuterung der Formel in Form eines Fließtextes.

Gottfredson und Hirschi empfinden die juristische Definition des Delikt- Begriffes unangemessen. Aufgrund dieser Ablehnung haben sie ein eigenes Konzept des kriminellen Handelns entwickelt. Dabei wurde ein Handlungsbegriff aus der klassischen Kriminologie übernommen. (vgl. Lamnek, 2008, S.110f) Um dieses Konzept übersichtlich darzustellen folgt nun eine Grafik die anschließend genauer erläutert wird. 

Formel/ Variable
Bedeutung
(B x E+) – (S x E-)
Kosten Nutzen Kalkulation
(B x E+)
Kurzzeitfolgen
(S x E-)
Langzeitfolgen
B
Ausmaß an Belohnung
E+
Eintritts- Wahrscheinlichkeit der Belohnung
S
Höhe der Strafe
E-
Eintritts- Wahrscheinlichkeit der Strafe
Tabelle 1 (vgl. Lamnek, 2008, S. 110f)
(B x E+) steht in dieser Gleichung für die Versuchung des delinquenten Verhaltens. Als Beispiel kann hier ein Diebstahl genannt werden. (S x E-) steht demnach für die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden und die Strafe welche für, in diesem Beispiel Diebstahl, vorgesehen ist. Hierbei muss beachtet werden, wie zuvor schon einmal erwähnt, Individuen die delinquent handeln eher dazu neigen die Kurzzeitfolgen hoch und die Langzeitfolgen niedrig zu bewerten. Die „Selbstkontrolle kommt in der Fähigkeit zum Ausdruck, auf unmittelbare aufwandslose Befriedigung verzichten zu können (deferred gratification pattern), wenn sie mit einer gewissen Verzögerung auch negative Effekte mit sich bringt“ (Lamnek, 2008, S. 112). Der Mangel an Selbstkontrolle äußert sich somit in der Unfähigkeit die Zukunft angemessen, in die oben erläuterte Kosten-Nutzen Kalkulation, mit einzubeziehen. Gottfredson und Hirschi reduzieren mit dieser These die Kriminalität auf die Unfähigkeit der Selbstkontrolle. Dies hat den Vorteil, dass die äußeren Umstände die auf eine Person wirken nicht so sehr ins Gewicht fallen. Zusammengefasst ist Kriminalität keine Konsequenz mangelnder Selbstkontrolle, sondern mangelnde Selbstkontrolle eine Voraussetzung für Kriminalität. (vgl. ebd. S. 112f) Anhand eines Beispiels soll nun die Bedeutung der soeben angeführten Begriffe, als auch das Konzept genauer erläutert werden.
Max Mustermann befindet sich wieder in einem Elektronik Geschäft um sich ein Handy zu beschaffen. In diesem Fall ist einem Angestellten ein Fehler unterlaufen, denn er hat vergessen an einem der Mobiltelefone die Sicherung anzubringen. Max ist ein Mensch mit dem Hang zur Kriminalität (ciminality) und geringer Selbstkontrolle. Er bewertet den kurzfristigen Nutzen den aus dem Diebstahl zieht sehr hoch und das Risiko erwischt zu werden und die daraus entstehenden Folgen sehr gering. Max steckt das Handy in seine Tasche und verlässt das Geschäft. Er hat eine kriminelle Handlung ausgeführt (crime) und ist somit straffällig geworden. Wäre Max in diesem Beispiel ein Mensch mit viel Selbstkontrolle, hätte er die Langzeitfolgen, welche ihm drohen wenn der Diebstahl erkannt wird, höher bewertet als den möglichen kurzfristigen Nutzen. Er hätte der Versuchung der Situation wiederstanden und hätte das Handy nicht gestohlen.
Doch welche Faktoren bedingen ein hohes Maß an Selbstkontrolle? Welche Faktoren begünstigen den Hang zur Delinquenz?
Gottfredson und Hirschi gehen davon aus, dass für die Entstehung von Selbstkontrolle die Mischung von angeborenen Neigungen eines Menschen und die erhaltene Erziehung eine Rolle spielen.  So kann ein Kind bei dem der Mangel an Selbstkontrolle sich in dessen Verhalten wiederspiegelt, mit Hilfe von Erziehung positiv beeinflusst werden. „Effective socialization is, however, always possible whatever the configuration of individual trains” (Gottfredson & Hirschi, 1990, S. 96). Mit diesem Zitat verdeutlichen sie, wie wichtig die Sozialisation eines Menschen in ihren Augen ist. Lamnek hat anhand der Ausführungen von Gottfredson und Hirschi, für das bessere Verständnis der Selbstkontrolle, eine “Lokalisation der Selbstkontrolle in einem zweidimensionalen Raum” entwickelt. Dabei hat er auf der X-Achse die „sofortige Belohnung“ der „aufgeschobenen Belohnung“ gegenübergestellt.  Auf der Y- Achse steht die Eigenschaft der Risikobereitschaft der Vorsicht gegenüber. Tendiert ein Individuum dazu risikobereit zu sein und einer sofortigen Belohnung nicht wiederstehen zu können, besitzt dieses Individuum eine sehr geringe Selbstkontrolle. Ist ein Individuum jedoch vorsichtig und kann auf die Belohnung warten, verfügt dieser Mensch über ein hohes Maß an Selbstkontrolle. Allgemein gilt für die „Lokalisation der Selbstkontrolle in einem zweidimensionalen Raum“, (vgl. Lamnek, 2008, S.117) desto höher die Risikobereitschaft und der Drang nach sofortiger Belohnung, desto geringer ist die Selbstkontrolle eines Menschen und umso höher die Vorsicht und die Geduld, desto mehr Selbstkontrolle hat ein Mensch. Die folgende Grafik soll dies noch einmal
zum besseren Verständnis grafisch darlegen. 



Da sich der folgende Teil der Arbeit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden zuvor behandelten Ansätze widmet, werden an dieser Stelle noch einmal die wichtigsten Punkte der RCT und des Konzeptes der Selbstkontrolle angeführt. Diese dienen nur dem besseren Verständnis des nachfolgenden Kapitels und sind somit nur eine Wiederholung bereits aufgezeigter Punkte.
Die RCT beschäftigt sich vorrangig mit dem Prozess der Handlungsentscheidung welche in folgenden vier Phasen abläuft. 1) Der Informationsphase, 2) der Bewertungsphase, 3) des Schätzens des Nettonutzens und zu guter Letzt 4) die Lösung des Entscheidungsproblems.  Dabei wird von einem Individuum, je nach Situation, eine ebenso individuelle Form der Kosten-Nutzen-Rechnung angewandt um zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Höhe der Strafe welche auf die kriminelle zu begehende Tat angesetzt ist, wird ebenfalls in die Kosten-Nutzen-Rechnung mit einbezogen. (vgl. Lamnek, 2008, S. 181) Beim Konzept der Selbstkontrolle steht, wie schon der Name des Konzeptes vermuten lässt, die Selbstkontrolle im Mittelpunkt. Gottfredson und Hirschi gehen davon aus, dass eben diese zum Teil eine angeborene und zum Teil eine anerzogene Eigenschaft ist. Sie beschreiben mit Hilfe von einer mathematischen Gleichung eine Kosten Nutze Kalkulation, in der die kurzfristige Befriedigung eines Bedürfnisses den Langzeitfolgen einer kriminellen Handlung gegenübersteht. Des Weiteren unterscheiden die Autoren zwischen den beiden Ausdrücken „criminalty“, welche für den Hang zur Kriminalität und „crime“, welcher für die kriminelle Tat steht. (vgl. www.krimtheo.de)
Wie bereits angekündigt folgt nun die Ausarbeitung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden eben noch einmal ins Gedächtnis gerufenen Ansät


[1] Unter anderem sind John Howard, Jeremy Bentham, John Anselm von Feuerbach uvm. Vertreter der Klassischen Kriminalitätstheorie, um einige zu nennen.
[2] Bedeutung: einem früheren, primitiven Stadium der Menschheit entsprechend (http://www.duden.de/rechtschreibung/atavistisch)

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