Samstag, 7. Januar 2017

Der Klassen und Kapital- Begriff im Vergleich



Der Klassenbegriff im Vergleich:


Von den drei, in dieser Arbeit behandelten Soziologen hat sich Max Weber am ausführlichsten mit dem Klassenbegriff auseinandergesetzt. Er widmet den „Ständen und Klassen“ in seinem Buch „Wirtschaft und Gesellschaft“ ein ganzes Kapitel. Weber orientiert sich bei der Einteilung der Gesellschaft in Klassen am Erwerb von Gütern. Dies äußert er in dieser Form explizit. „»Klassen« gliedern sich nach den Beziehungen zur Produktion und zum Erwerb der Güter“ (Weber, 1922, S. 684). Karl Marx stellt die Produktion in den Mittelpunkt. Jedoch im Unterschied zu Weber ist nicht der Erwerb, sondern der Besitz von Gütern ausschlaggebend. „Klassenverhältnisse sind Produktionsverhältnisse und damit zugleich Eigentumsverhältnisse(Ritsert, 1998, S. 65). Im Gegensatz zu den Konzepten von Max Weber und Karl Marx sind bei Bourdieu jedoch nicht nur das ökonomische Kapital, oder die Produktionsverhältnisse ausschlaggebend, sondern alle vier Kapitalformen. Diese setzen sich zusammen aus dem schon genannten ökonomischen Kapital, dem sozialen Kapital, als auch dem kulturellen und symbolischen Kapital. (vgl. Keßler, 2007, S.4)
Es ist nicht ganz klar wie Marx zum Begriff der  „Klasse“ stand. Er widmete zwar das zweiundfünfzigste Kapitel des dritten Bandes des „Kapitals“ diesem Thema, vollendete es jedoch nie. Marx wird in seiner Einteilung der Gesellschaft ein dichotomes Klassenmodell „unterstellt“.
 Christian Schilcher vertritt in seiner  Diplomarbeit ebenfalls diese Ansicht und schrieb dazu: „Die Unterscheidung zwischen Eigentum und Nicht-Eigentum an Produktionsmitteln und dementsprechend die zwischen Käufern und Verkäufern der Ware Arbeitskraft läßt in Marx´ abstraktem Klassenmodell nur die Bildung zweier großer Klassen zu“ (Schilcher, 2001, S. 44). Diese von Schilcher erwähnten Klassen,  bestehen aus den beiden Polen der Lohnarbeiter und  Kapitalisten. (vgl. Ritsert, 1898, S. 59)  Da Marx jedoch nie den Klassenbegriff explizit definierte, kann nur vermutet werden, dass er wie soeben aufgezeigt, ein dichotomes Klassenmodell gut heißen würde.
Ein Klassenmodell welches nur aus zwei Polen besteht reicht laut Ritsert jedoch nicht aus um die Diskrepanz des Kapitalismus konkreter zu beschreiben. (vgl. ebd. S.59)  Es ist nur  wahrscheinlich, dass dies einer der Gründe ist warum Max Weber die von ihm geprägten Besitzklassen und Erwerbsklassen, wie oben schon beschrieben, je in drei Kategorien unterteilt. In diesem Konzept wird im Vergleich zu Karl Marx die  „Mittelklasse“ ein Bestandteil des Klassenkonzeptes. In diese Klasse fallen all jene „neuen Berufe“ denen  zwar Bildung, jedoch Güter nur in Maßen zur Verfügung stehen.
Bourdieu, der seine Studien im Frankreich der sechziger Jahre durchführte, kam ebenfalls gleich wie Max Weber, zu dem Schluss die Gesellschaft in drei Klassen zu unterteilen. (vgl. Keßler, 2007. S.4) Die Mittelklasse spielt bei Bourdieu als auch bei Weber eine nicht unwesentliche Rolle. Bourdieu schreibt der Mittelkasse einen sehr hohen Grad an Bildungsbeflissenheit zu. Auch das Streben nach „oben“ zeichnet diese Klasse aus.  Jedoch steht dieser Nacheiferung der Habitus, welcher zuvor bereits erwähnt wurde, im Weg. (vgl. Keßler, 2007, S.3) Des Weiteren lässt sich der Begriff der Mittelklasse nach Bourdieu in drei Gruppen unterteilen. Das absteigende Kleinbürgertum, zu dem Handwerker und Händler gehören, das exekutive Kleinbürgertum, zu dem Volksschullehrer und Büroangestellte zählen und schlussendlich das neue Kleinbürgertum, dem neuere Berufe wie Spezialisten für Public Relations angehören. (vgl. ebd., S.4) Die Anhäufung von Bildung, welche bereits an früherer Stelle angesprochen wurde, kann dem exekutiven Kleinbürgertum zugeschrieben werden. Insbesondere die mittleren Führungskräfte oder Büroangestellten zeichnen sich durch die Anhäufung von Zeugnissen aus. Bourdieu führt in diesem Zusammenhang den Begriff der Allodoxia ein. (vgl. ebd., S.7) „Dieser Begriff meint, dass der Kleinbürger über seine (kulturellen) Verhältnisse lebt“ (Keßler, 2007, S. 7).
Max Weber benutzt ebenfalls den Begriff der Mittelklasse, schenkt ihr jedoch nicht so viel Aufmerksamkeit. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der positiv privilegierten Klasse und der negativ privilegierten Klasse. Der Mittelstandsklasse widmet er gerade einmal drei Sätze. „Die „Mittelstandsklasse“, welche die mit Besitzt oder Erziehungsqualitäten  ausgestatteten, daraus ihren Erwerb ziehenden Schichten aller Art umfassen. Einige von ihnen können „Erwerbsklassen“ sein […] Aber nicht alle sind es“ (Weber, 1964, S. 224). 

Die Betonung der positiv und negativ privilegierten Klassen, kann als eine Parallele zu Karl Marx interpretiert werden. Marx unterteilt die Gesellschaft in einem dichotomen Zweiklassenmodell. In Lohnarbeiter und Kapitalisten, welche den Begriffen der bereits erwähnten positiv und negativ privilegierten Klassen sehr nahe stehen. Den Terminus der Mittelklasse, den Marx als solchen nicht benutzt, wird jedoch von manchen marxistischen Klassenanalysen in ihrer Operationalisierung durch die Verwendung der Schichtenmetaphorik überbrückt. Dies dient der indirekten Einfügung von Zwischenklassen zwischen den beiden Polen. (vgl. Ritsert, 2007, S. 59) Wird von so einer Konkretisierung im marxistischen Sinn ausgegangen, unterstützt es die Annahme der Nähe zum Klassenbegriff Max Webers.
Da nun die wichtigsten Punkte des Klassenbegriffs im Vergleich aufzeigt wurden, widmet sich diese Arbeit nachfolgend dem Vergleich des Kapitalbegriffs.

Der Kapitalbegriff im Vergleich:

Bourdieu entlehnt den Begriff des Kapitals von Karl Marx, jedoch interpretiert er ihn nie im Marxistischen Sinn. (vgl. Jurt, 2012, S. 22) Bourdieu unterteilt das Kapital in vier Kategorien. Eine davon ist, gleich wie im Sinne Marx und Webers, das ökonomische Kapital. Jedoch ist es in seiner Geltung dem sozialen, kulturellen und symbolischen Kapital um nichts höher gestellt. Diese vier Kapitalsorten Bourdieus existieren immer gleichzeitig und sind ineinander wandelbar (vgl. Lederer, 2005, S.1). Pierre Bourdieu ist von den drei behandelten Autoren der Einzige der Kapital noch in einer anderen Form als Geld oder Waren wahrnimmt. Er selbst übte, wie in dieser Arbeit  beschrieben, Kritik an dem rein ökonomisch verwendeten Kapitalbegriff. Er war der Ansicht, dass der wirtschaftswissenschaftliche Kapitalbegriff die Gesamtheit der gesellschaftlichen Austauschverhältnisse auf den bloßen Warenaustausch reduziere. (vgl. Bourdieu, 1992, S. 50) Jedoch ist, wie schon beschrieben, ebenso das soziale, kulturelle und symbolische Kapital hilfreich, wenn nicht sogar essenziell, sind um in irgendeiner Form „Gewinn“ zu erzielen. Des Weiteren sind, wie schon mehrfach beschrieben, die vier Kapitalformen Bourdieus ineinander wandelbar. (vgl. Lederer, 2005, S.1) Das soziale, kulturelle und symbolische Kapital sind somit in irgendeiner Form auch als ökonomisches Kapital vorhanden. Die Erweiterung des Kapitalbegriffes von Bourdieu ist für diese Arbeit ein einzigartiger und interessanter Ansatz diesen Term zu verstehen. Er ist insofern interessant als dass er die im Hintergrund ablaufenden Mechanismen aus ihrem Schatten holt, die es braucht um in der Wirtschaftswelt erfolgreich zu sein. Verfügt ein Unternehmer oder eine Unternehmerin auch nur über eine der vier Kapitalsorten Bourdieus nicht, oder nicht mehr, wird es für ihn oder sie  schwer sich in der Wirtschaftswelt zu behaupten. Denn auch wenn die Kapitalsorgen ineinander wandelbar sind, kann das Fehlen einer, sich als Problem herausstellen. Um diese These zu veranschaulichen folgendes Beispiel[1]:
Ein/e Unternehmer/in hat genug ökonomisches Kapital um seinen/ihren Shop zu eröffnen. Er/ Sie hat auch genug Erfahrung im Leiten eines Betriebes, und ebenso ein paar geschäftliche Beziehungen. Allerdings ist er/sie in der Stadt in der er/sie den Shop eröffnen will bei den Bewohnern in Missgunst gefallen, da er/sie den Müll ihres/seines vorigen Unternehmens nicht fachgerecht entsorgt hat. Dieses frühere Fehlverhalten hat negative Auswirkungen auf den Umsatz des Geschäftes. Hätte ein Gutachter vor der Eröffnung des Ladens ein Gutachten erstellt, einmal im Sinne Marx und Webers[2] und einmal im Sinne von Bourdieu, so hätte er  verschiedene Ergebnisse erhalten. Geht man von Marx und Webers Verständnis von Kapital aus, hätte der Gutachter dem/der Unternehmer/in „grünes Licht“ für sein/ihr Geschäft gegeben da genug ökonomisches Kapital vorhanden ist. Bezieht man sich jedoch auf Bourdieus Idee von Kapital, hätte der Gutachter das Problem des Fehlens von symbolischem Kapital erkannt und eventuell eine Gegenmaßnahme empfohlen. So hätte sich der/ die Unternehmer/in an der nächsten Stadtpark- Säuberungsaktion beteiligen können, oder sich öffentlich für sein/ihr Fehlverhalten in der Vergangenheit entschuldigen können.
Marx und Weber begnügen sich, im Vergleich zu Bourdieu,  mit einer rein ökonomischen Definition des Kapitals. Eine weitere Gemeinsamkeit von Karl Marx und Max Weber in Bezug auf den Kapitalbegriff ist, dass Kapital keineswegs nur „Geld“ meint. Vielmehr ist es ein abstrakter Begriff der eine Form von Wert zum Ausdruck bringen soll. Weber bezieht den Begriff auf sämtliche Erwerbsgüter, egal ob in Natura oder in Geld Form (vgl. Weber, 1964, S.64). Marx bezeichnet Kapital als Geld oder Ware, welche in einer gewissen Form „Gewinn“ erzielen kann (vgl. Marx & Engels, 1968, S. 170)
Da die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede nun an dieser Stelle herausgearbeitet wurden, widmet sich der nachfolgende Teil dem Ergebnis dieser Arbeit.

Bourdieus Klassenbegriff ist in dieser Gegenüberstellung einzigartig, da er den Begriff des Habitus einführt. Jede Klasse besitzt eine eigene Form des Habitus und ein Individuum ist somit unweigerlich durch ihn an seine Klasse gebunden. Es ist für ein Individuum somit nahezu unmöglich den Habitus seiner Klasse abzulegen und sich den einer anderen Klasse anzueignen. Max Weber hingegen sieht im Erwerb von Gütern das vorrangige Unterscheidungsmerkmal zwischen den Klassen. (vgl. Weber, 1922, S. 684) Für Marx spielen ebenfalls die Güter in der Unterscheidung von Klassen eine wichtige Rolle, jedoch stellt er nicht den Erwerb, sondern den Besitz von Gütern in den Mittelpunkt seiner Klassentheorie. (vgl. Ritsert, 1998, S. 65) An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Marx nie dazu kam sich ausführlich mit dem Klassenbegriff auseinander zu setzen. So wird ihm häufig ein dichotomes Klassenmodell unterstellt. (vgl. Schilcher, 2001, S.44) Max Weber und Pierre Bourdieu gehen im Vergleich dazu von einer Dreiteilung der Gesellschaft aus. Die Mittelklasse steht in ihren Modellen zwischen den Polen der Lohnarbeiter und Kapitalisten. (vgl. Ritsert, 2007, S. 59)
Der Begriff des Kapitals ist eng mit dem der Klassen verwoben. Es ist schwer den einen Begriff ohne den anderen zu behandeln. Bourdieu geht in diesem Vergleich einen einzigartigen Weg, in dem er dem ökonomischen Kapital drei weitere Kapitalformen hinzufügt. Diese drei weiteren Formen setzen sich aus dem sozialen, kulturellen und dem symbolischen Kapital zusammen. Das ökonomische Kapital ist im Sinne Marx und Webers ein abstrakter Begriff. Er kann jegliche Form von verwertbaren Gut annehmen und ist keinesfalls mit Geld gleichzusetzen. So bezeichnet Marx Kapital als Geld oder Ware, mit der Gewinn erzielt werden kann. (vgl. Marx & Engels, 1968, S. 170)


[1] Dieses Beispiel ist frei erfunden und dient nur der Veranschaulichung der verschiedenen Auffassungen von Kapital.
[2] Welche ein ähnliches Verständnis von Kapital haben. Darauf wird an späterer Stelle noch genauer eingegangen.

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