Um den Klassenbegriff zu verstehen
muss der Begriff des „Habitus“ an dieser Stelle erklärt werden. So kann man „ihn
als dauernde Beschaffenheit einer Person [definierten (Anm. des A.)], die nicht
ursprünglich, sondern erworben ist und so zu einer zweiten Natur wird. Die
erworbenen Dispositionen werden zu einer zweiten Natur, weil der Einzelne sich
dieser Inkorporation nicht mehr bewusst ist“ (Jurt, 2010,
S. 8).
Der Habitus ist somit etwas Erlerntes, sich selbst Reproduzierendes das dem
Individuum jedoch nicht bewusst ist. Er beinhaltet die Wortwahl, die Art zu
gehen, Mimik, Vorlieben beim Essen als auch die Aussprache, um nur einige
Aspekte zu erwähnen. Der Habitus ist sowohl für den Klassenbegriff als auch für
die Kapitalformen essenziell und wurde deshalb an diesem Punkt kurz erklärt.
Klassenbegriff nach Pierre Bourdieu:
Schon Christian Schilcher versuchte
in seiner Diplomarbeit eine einfache Definition für den Begriff der „Klasse“ im
Bourdieuschen Sinn zu finden. Dazu schreibt er: „Eine einfache Definition des
Begriffs Klasse ist im Werk Bourdieus indes nicht zu finden. Vielmehr verknüpft
Bourdieu die Frage der sozialen Ungleichheit mit der Analyse von Lebensstilen
und verankert diese Zusammenhänge systematisch in einem großen theoretischen
Rahmen“ (Schilcher,
2005, S. 5).
Im Folgenden wird trotz allem versucht, den Begriff kurz für sich zu erklären
und in die Gesellschaftstheorie Pierre Bourdieus einzubetten. Grob
unterscheidet Bourdieu zwischen drei großen Klassen mit ihrem dazugehörigen
Habitus, welcher „ kollektive (unbewusste) Denk-, Wahrnehmungs- und
Handlungsmuster bezeichnet“ (Kruse, 2012, S. 306).
Zum Zweck des einfacheren
Verständnisses wird nachfolgend eine Tabelle gezeigt, welche die drei Klassen
Bourdieus übersichtlich darstellt. Anschließend folgt die Erläuterung dieser
Tabelle in Form eines Fließtextes.
Klasse
|
Habitus
|
Herrschende Klasse
|
„legitimer Geschmack“
|
Kleinbürgertum
|
Streben nach „oben“ und
Bildungsbeflissenheit
|
Volksklasse
|
Populärer Geschmack und die
Notwendigkeit
|
Die herrschende Klasse zeichnet sich
durch den wie Bourdieu es nennt „legitimen Geschmack“ aus. Dieser wird von den
anderen Klassen als auch von der herrschenden Klasse als „legitim“ empfunden.
Der Grund dafür ist, dass die Klasse des Kleinbürgertums nach oben „strebt“ und
somit den Geschmack der herrschenden Klasse nicht in Frage stellt. Die
herrschende Klasse fühlt sich durch das „streben“ der ihnen untergeben Klasse
in ihrem Geschmack bestätigt. Das Kleinbürgertum zeichnet sich durch das eben
schon erwähnte „streben“ nach oben aus. Dies ist meist durch das anhäufen von
Bildung gekennzeichnet. Die Volksklasse hingegen zeichnet sich durch den
Geschmack der „Notwendigkeit“ aus. Da diese Klasse meist zahlenmäßig den anderen
Klassen überlegen ist, wird der Geschmack der Volksklasse auch als „populär“
bezeichnet. (vgl. Hartmann, 2004, S. 90) Es muss jedoch bei dieser Einteilung
bedacht werden, dass Bourdieu nie den Anspruch erhebt einen Weg zu finden die
Gesellschaft in ihrem realen Geschehen zu klassieren. Er selbst spricht immer
von auf dem Papier „konstruierten Klassen“ (Bourdieu, 1982,
S. 182)
Er schreibt dazu: „Eine soziale Klasse ist vielmehr definiert durch die
Struktur der Beziehungen zwischen allen relevanten Merkmalen, die jeder
derselben wie den Wirkungen, welche sie auf die Praxisformen ausübt, ihren
spezifischen Wert verleiht“ (Bourdieu, 1982, S. 182).
Wie schon in der Einleitung erwähnt
sind der Klassen- und Kapitalbegriff eng miteinander verbunden. Aus diesem
Grund wird im folgenden Abschnitt der Kapitalbegriff im Verständnis von
Bourdieu behandelt.
Kapitalbegriff nach Pierre Bourdieu:
Wie in der anschließenden Tabelle dargestellt,
unterteilt Bourdieu den Kapitalbegriff in vier Kategorien.
Kapitalform
|
Merkmal
|
Ökonomisches Kapital
|
Unmittelbar in Geld konvertierbar
|
Soziales Kapital
|
Beziehungen und Verpflichtungen,
„Netzwerk“
|
Kulturelles Kapital
|
Intellektuelle Qualifikationen die
durch die Familie erlangt werden und durch schulische Titel
institutionalisiert werden.
|
Symbolisches Kapital
|
Ansehen, Prestige
|
Das ökonomische Kapital beschreibt den Besitz von materiellen Dingen.
Jedoch sieht Bourdieu die rein ökonomische Interpretation des Begriffes als
unzureichend.“[Der] wirtschaftswissenschaftliche
Kapitalbegriff reduziert die Gesamtheit der gesellschaftlichen
Austauschverhältnisse auf den bloßen Warenaustausch, der […] vom Eigennutz
geleitet ist“ (Bourdieu,
1992, S. 50).
Aus diesem Grund führt Bourdieu weitere Kapital-Begriffe ein.
Das soziale Kapital definiert Bourdieu als „die Gesamtheit der
aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften
Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen
Kennens und Anerkennens verbunden sind [ ... ] es handelt sich dabei um
Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen" (Bourdieu, 1992, S. 63). Das bedeutet es geht es nicht um das
individuelle Kapital eines Menschen, sondern um das Kapital, welches ein Individuum mit Hilfe seines sozialen
Netzwerkes mobilisieren kann. Das soziale Kapital kann somit die Wirkung der
anderen Kapitalformen bestärken, da aus eben diesen materielle Verbindlichkeiten
oder Solidaritäts-verpflichtungen entstehen können. (vgl. Jurt, 2012, S. 29f)
Das kulturelle Kapital wird von Bourdieu wie folgt in drei Zuständen unterschieden.
Art des kulturellen Kapitals
|
Merkmal
|
Inkorporierter
Zustand
|
Verinnerlicht,
Dauerhafte Disposition
|
Objektivierter
Zustand
|
Güter
wie: Bilder, Bücher usw.
|
Institutionalisierter
Zustand
|
Titel,
oder Stelle
|
Bourdieu trennt das kulturelle
Kapital nicht in Bewusstsein und Körperlichkeit
auf. Es ist durch den Faktor Zeit in seinen Augen an den Körper gebunden. Eben
„inkorporiert“. Um gewisse Fertigkeiten zu erwerben muss das Individuum Zeit
investieren. Somit stellt erlangte Bildung für Bourdieu gewonnene Zeit dar.
Nicht erworbene Bildung ist verlorene Zeit da diese in Zukunft nachgeholt
werden muss. Demnach stellt Zeit die Verbindung zwischen ökonomischem und
kulturellem Kapital dar. Der Unterschied zwischen dem objektivierten
kulturellen Kapital und dem ökonomischen Kapital liegt in dem Wertunterschied
dieser beiden. Ein Buch hat zum Beispiel auf dem Markt einen üblichen
ökonomischen Wert, der symbolische Wert des Buches geht aber über den rein
materiellen Wert hinaus. Dieser Mehrwert lässt sich in diesem Beispiel als
Bildungskapital bezeichnen, allerdings wird er erst durch das Lesen und
Verstehen des Buches geltend gemacht. Bildung wird durch das Erwerben von Titeln
nun zum institutionalisierten kulturellen Kapital. Dies setzt wiederum das Investieren
von Zeit und ökonomischem Kapital voraus, welches wiederum in kulturelles
Kapital umgewandelt wird. Das Erlangen
von Titeln steht meist mit dem Ziel in Verbindung, einen gut bezahlten Job zu
bekommen. An diesem Punkt verwandelt sich das kulturelle Kapital in ökonomisches
Kapital. (vgl. Jurt, 2012, S.26 ff)
Symbolisches
Kapital hingegen „beinhaltet die gesellschaftliche Anerkennung, die mit einem bestimmten
Titel oder Status verbunden ist. Kulturelles Kapital kommt mittels gesellschaftlicher
Anerkennungsakte zustande, die bestimmten Akteuren oder gesellschaftlichen
Gruppen einen „Kredit“ an Ansehen und damit ein bestimmtes Prestige einräumen“ (Zwingenberger, 2003, S. 25f). Symbolisches
Kapital kann einem Individuum somit zu ökonomischem, sozialem oder kulturellem
Kapital verhelfen. Die vier Kapitalsorten von Bourdieu „existieren immer
gleichzeitig und stehen in gegenseitiger Wechselwirkung“ (Lederer,
2005, S. 1).
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