Ferdinand, Sutterlüty: Was ist eine „Gewaltkarriere“?, in:
Zeitschrift für Soziologie (2004), S. 266-284.
Ferdinand Sutterlüty beschäftigte sich vier Jahre
lang mit der Befragung von 18 Berliner Jugendlichen zwischen 15 und 21 Jahren
welche, außer drei Vergleichsfällen, des Öfteren gewalttätig geworden sind. Aus
den erhobenen Daten versuchte Sutterlüty ein Muster zu erkennen welches die
Gewaltbereitschaft der Jugendlichen erklärt.
Der Text von Sutterlüty geht der schon in der
Betitelung gestellten Frage nach „Was eine Gewaltkarriere“ ist. Dabei geht der
Begriff selbst auf Edwin M. Lemert zurück der von „abweichenden Karrieren“ in
Bezug auf Gewalt und Kriminalität sprach. Der Ausdruck „Karriere“ kann in
diesem Zusammenhang in die Irre führen, da nicht etwa von einer vorgegebenen
Laufbahn die Rede ist, sondern mehr von dem phasenweisen Durchleben von
Hilflosigkeit und Gewalt. Sutterlüty argumentiert, dass die von ihm befragten
Jugendlichen alle gewisse Gemeinsamkeiten aufwiesen. Dabei handelt es sich um
die Geringschätzung und oder die körperliche Gewalt die ihnen in der eigenen
Familie wieder fahren ist. Er stellt die These auf, dass Menschen die bereits
in jungen Jahren zur Gewalt neigen, in ihrem Leben einen gewissen Punkt
erreicht haben, an dem sie vom Opfer zum Täter wurden. Das wiederholte
ausgesetzt sein von Gewalt und das Gefühl von Hilflosigkeit regt in dem Opfer
das Verlangen „zurückzuhauen“. Geschieht dies, durchlebt das Opfer einen
Rollentausch in Form eines „Befreiungsschlags“ (Sutterlüty, 2004, S. 273).
Sutterlüty bringt außerdem den Begriff der „gewaltaffinen
Interpretationsregimes“ in seine Argumentation ein. Dabei handelt es sich um
die Sicht der Jugendlichen, die von Deutungsmustern bestimmt sind die eine
gewaltsame Antwort als die naheliegenste erscheinen lassen. Dies muss nicht
zwingend zu einer gewaltsamen Handlung führen, jedoch handelt es sich um eine
„Handlungsdisposition, deren Realisierung von den vielfältigsten situativen
Kontextbedingungen und den je vorhandenen Gelegenheitsstrukturen abhängig sind“
(vgl. ebd. S. 257). Wird Gewalt ausgeübt, so empfinden die Jugendlichen das als
„geil“, was so viel bedeutet wie es wird die gewaltsame Handlung mit etwas
Positivem Verknüpft. Allerdings wird von den Gewaltausübenden erkannt, dass
dies nicht der Norm entspricht. So beschreibt einer der Befragten seinen Hang
zur Gewalt als „perverse Ader“ (vlg. Ebd. S. 279). Es geht den Jugendlichen
laut Sutterlütys Text voranging um das Ausüben von Macht und das Gefühl der
Überlegenheit gegenüber Anderen.